Essen. Sein neuer Fall: Ein vermisstes Kind macht aus dem Krimi „Süden und die Schlüsselkinder“ eine brutale Bestandsaufnahme über die Auflösungserscheinungen der Familie. Lesenswert für alle, die den Weltschmerz des Ermittlers teilen.
Die Fälle des Tabor Südens sind für Krimileser nicht gerade ein Generalschlüssel. Vielmehr teilen Friedrich Anis Romane sie zuverlässig in flammende Verehrer und solche, die die oft leise, grüblerische und nicht einmal sonderlich ereignisreiche Vermisstensuche rundweg ablehnen.
Kälte der Herzen
Süden zu lieben, heißt wohl vor allem seine Weltsicht samt -schmerz zu teilen: die Wut über die Kälte der Herzen und die nie abstumpfende Trauer darüber, wie der Mensch des Menschen Wolf ist.
So gesehen ist sich Friedrich Ani im kleinen Comeback „Süden und die Schlüsselkinder“ sehr treu. Ein Kind verschwindet: Adrian. Und schlimmer noch, grausamer als die Nachricht empfinden wir ihre Folge. Weder Vater noch Mutter vermissen ihn. Adrian ist aus dem Heim getürmt. Die Flucht: ein Hilferuf, der auf taube Ohren stößt. Per SMS sickert die Verzweiflung eines Kindes zu Süden durch, der Adrian vor allem sucht, weil es nun mal sein Beruf ist.
SMS: Die drahtlosen Sprachfetzen aus Ratlosigkeit und kindlichem Trotz sind der rote Faden einer Geschichte, die eine sanfte Auflösung mit einer brutalen Bestandsaufnahme vereint. Als Erzähler betrachtet Ani die Auflösungserscheinungen von Familie und elterlicher Liebe in einem hochzivilisierten Land mit stillem Entsetzen. Seine Meisterschaft aber bleiben die Monologe von kleinen Leuten am Rande des Abgrunds. Wie er Adrians versoffenem Vater eine schäumende Abrechnung mit dem Rest der Welt in den Mund legt, das lässt einen nicht kalt. Ob man da einen Krimi liest, das hat man sich an dieser Stelle schon gar nicht mehr gefragt. Im Zweifelsfall ist das ein Kompliment.