Essen. Gerade ein „Pascha des Monats” (den Titel verlieh ihm die Zeitschrift „Emma”) verlangt nach entsprechender Pflege: „Artgerecht” heißt folgerichtig das dritte Album des swingenden Berliners. Im Herbst wird der Sänger das Werk samt 14-köpfiger Bigband live vorstellen.

Herr Cicero, Ihr neues Album heißt „Artgerecht”. Werden Sie privat artgerecht gehalten?

Cicero: So fühlt es sich jedenfalls an. Falls es nicht so ist, stellt meine Freundin es jedenfalls sehr geschickt an (lacht).

Was wollen Sie uns mit dem Titel sagen? Kämpfen Sie stellvertretend für Ihre Geschlechtsgenossen für eine männliche Emanzipation?

Cicero: Nein, nein. Das Wort „artgerecht” hing einfach in der Luft, weil der Titel der aktuellen Single „Nicht artgerecht” ist. Als wir mit der CD fertig waren, habe ich festgestellt, dass es für mich musikalisch das bislang artgerechteste Album ist. Und darum passt der Titel.

Dann war es also auch Ihre Idee, mit dem dritten Album verstärkt in Richtung Soul zu gehen?

Cicero: Genau. Und mit dieser Idee habe ich bei meinen Produzenten auch nur offene Türen eingerannt. Alle waren sofort Feuer und Flamme und mit Elan bei der Sache. Aber wir haben dem Swing natürlich nicht den Rücken gekehrt.

Eine Bigband mit Bläsern, dazu noch Streicher – so einen Aufwand für ein Album wagen die wenigsten, nicht zuletzt aus Kostengründen. Warum können Sie sich leisten, was sich andere nicht leisten können oder wollen?

Roger Cicero live 2009/2010

31.10. Münster (Halle Münsterland)

1.11. Essen (Grugahalle)

22.1. Düsseldorf (Philipshalle)

19.2. Oberhausen (KöPi-Arena)

Karten (ca. 35-61 €) gibt es in unseren TICKET-SHOPs unter 01805/280123 oder www.DerWesten.de/tickets

Cicero: (lacht) Es stimmt, das war seine sehr aufwändige Produktion. Aber wir wollen einfach solche Platten aufnehmen, wollen das Ganze auch sehr wertig gestalten. Man könnte es natürlich auch ganz anders machen: Aber unsere Arrangements mit Streichern aus dem Synthesizer zu unterlegen – nein, das würde ich nicht aushalten!

Die Ballade „Ohne Worte” singen Sie mit Falsett-Stimme. Ich dachte, das dürften nur die Bee Gees und Prince...

Cicero: In der Tat, das war ein Experiment. Ich bin ja schon seit vielen Jahren ein wahnsinniger Verehrer von Prince. Und ich wollte unbedingt eine kleine Ode an ihn auf dem Album haben. „Ohne Worte” war tatsächlich der allerletzte Song, den wir für „Artgerecht” geschrieben haben.

Ein anderer Song heißt „Hinterm Steuer” – da geben Sie als entnervter Autofahrer auch verbal Vollgas. Ist das eine Selbststudie?

Cicero: Ja, das ist leider eine ziemlich autobiografische Nummer. Ich fahre zwar sehr zügig, bin aber nicht ständig als pöbelnder Raser unterwegs – das wäre ja totaler Quatsch. Dann würde ich bestimmt auch keinen Song darüber singen. Trotzdem: „Hinterm Steuer” ist der Ort auf der Welt, an dem ich am schnellsten meine Geduld verliere.

Warum funktionieren deutsche Texte eigentlich mittlerweile so gut? Vor Jahren hätte sich wohl kein Künstler getraut, über „gummibereifte Kasperbuden” zu singen.

Cicero: Stimmt. Aber im deutsprachigen Segment hat sich sehr viel getan. Es gibt mittlerweile keine musikalische Stilrichtung, die bisher noch nicht auf Deutsch interpretiert wurde. Das begrüße ich sehr. In anderen Ländern ist das viel selbstverständlicher. Auch in den Niederlanden, wo ich Jazz studiert und auch lange gelebt habe, gibt es ganz viele Künstler, die holländisch singen und damit unglaublich erfolgreich sind.

Was sagen eigentlich Ihre früheren Studienkollegen dazu, dass der Jazz-Sänger jetzt in den Pop-Charts vertreten sind?

Cicero: Ich weiß natürlich nicht, was hinter meinem Rücken so gesprochen wird, aber bislang ist mir ein durchweg positives Feedback zu Ohren gekommen. Selbst von der so genannten „Jazz-Polizei”. Da fallen dann meist so Sätze wie: „Endlich hat es mal jemand von uns geschafft!”

Und aus dem Schatten Ihres Vaters, des berühmten Jazz-Pianisten Eugen Cicero, sind Sie auch längst getreten. Mittlerweile werden dessen Platten neu aufgelegt, mit dem Hinweis: „Der Vater von...”

Cicero: Ja, das ist für mich auf eine amüsante Art befremdlich. Ich persönlich hatte das Gefühl, im Schatten meines Vaters zu stehen, schon etwas länger abgelegt. Es gab aber durchaus Zeiten, in denen es auch eine Belastung war. Aber ich gebe Ihnen Recht: Wenn man Sohn eines berühmten Vaters ist und dann auch noch den gleichen Berufsweg einschlägt, muss man einen gewissen Prozess durchlaufen.

Über Ihre Mutter Lili ist nur wenig zu lesen – sie war Tänzerin?

Cicero: Sie wollte klassische Tänzerin werden, hat sich in der Ausbildung dann aber den großen Zeh gebrochen. Das bedeutete das Aus für den Spitzentanz.

Wenn Sie von ihrem Vater das musikalische Talent geerbt haben, haben Sie das Talent Ihrer Mutter womöglich auch geerbt?

Cicero: (lacht) Davon habe ich leider gar nichts geerbt. Zum Leidweisen meiner Mutter war ich nie ein begeisterter Tänzer. Auf der Bühne bewege ich mich natürlich zur Musik, aber mit wirklichem Tanzen hat das nur im Ansatz etwas zu tun.

Vor Kurzem sind Sie selber Vater geworden. Hat das Ihr Leben sehr verändert?

Cicero: Die ganzen Tagesabläufe haben sich natürlich massiv verändert. Wenn ich zu Hause bin, muss jeder Schritt sehr gut und gründlich geplant werden. Das verlangt eine größere organisatorische Disziplin.

War auch Disziplin nötig, den Misserfolg beim Grand Prix 2007 zu verdauen?

Cicero: Nein, ich habe einfach weitergemacht. Als wir aus Helsinki zurückkamen, hatte ich eine Woche lang Zeit, mir darüber einen Kopf zu machen. Aber ein paar Tage später stand ich schon wieder auf der Bühne und habe den ganzen Sommer über Festivals gespielt. Das war das Beste, was mir passieren konnte.

Zum Schluss: In letzter Zeit sieht man Sie verstärkt in farblich durchaus interessant gestalteten Anzügen...

Cicero: Ja, die sind schon ein wenig auffälliger geworden. Weil es bei mir auch neue Klänge zu entdecken gibt, wollte ich das auch optisch unterstreichen.

Und wie viele Anzüge hängen momentan in Ihrem Kleiderschrank?

Cicero: Ich sortiere immer mal wieder aus, aber zur Zeit sind es wohl so 20 bis 30.