Essen. Sie gelten als besonders wertvoll: Kinder- und Jugendbücher, die den Deutschen Jugendliteraturpreis tragen, sind ausgezeichneter Lesestoff - auf jeden Fall auch für Erwachsene. Es geht zum Beispiel um einen "tiefbegabten" Jungen, Kunst, die Varusschlacht und Kinderprostitution.
Ein Preis sagt mehr als tausend Worte: Bücher, die mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet sind, gelten als besonders wertvoll. Das Bundesfamilienministerium prämiert damit jedes Jahr die besten Bücher für Kinder und Jugendliche. Unsere Übersicht zeigt, welche Lektüre auch für Erwachsene spannend werden könnte . . .
Kinderbuch
Bei diesem Buch müssen Kinder aufpassen, dass ihre Eltern nicht heimlich weiterlesen: Andreas Steinhöfel erzählt „Rico, Oskar und die Tieferschatten” (Carlsen, 224 S., 12,90 Euro, ab 9) mit so viel Witz, dass man das Buch ungern aus der Hand legt. Rico ist etwas „schwach im Kopf”, was er lieber „tiefbegabt” nennt. Trotzdem verfolgt er die Spur eines berüchtigten Entführers, zusammen mit seinem Freund: dem hochbegabten, aber sehr ängstlichen Oskar. Ohne Motorradhelm geht er nicht aus dem Haus. Steinhöfel lässt Ricos einfaches Leben nachfühlen, ohne zu mahnen. Dabei nimmt er Ricos naive Sicht ein, die so manchen Erwachsenen in seinen Vorurteilen und Depressionen entlarvt.
Bilderbuch
Dieses Bilderbuch werden sogar eher Erwachsene als Kinder anschauen: Shaun Tan erzählt „Geschichten aus der Vorstadt des Universums” (übersetzt von Eike Schönfeld, Carlsen, 96 S., 19,90 Euro, ab 12). Jede der 15 kurzen Erzählungen, die den Alltag in einer Vorstadt mit viel Fantasie würzen, hat er anders illustriert: hier eine Collage, dort eine schraffierte Zeichnung. Wunderbare Bilder, die einen gestrandeten Wal im Vorgarten zeigen oder einen paradiesischen Innenhof, den nur die Familie in dem tristen Haus sieht. Logische Geschichten sind das nicht, aber welche, über die man gerne etwas länger nachdenkt.
Sachbuch
Jetzt geht es den Römern ans Kettenhemd: Wolfgang Korn beschreibt „Das Rätsel der Varusschlacht – Archäologen auf der Spur der verlorenen Legionen” (Fackelträger, 192 S., 19,95 Euro, ab 12). Der Autor schildert verschiedene Theorien zum Sieg der Germanen über die römischen Soldaten. Korn führt nach Xanten, Haltern und Oberaden. Anschaulich illustriert von Klaus Ensikat. Auch für Erwachsene lohnt sich ein Blick, da Geschichte nicht oft so gut erklärt wird. In kleinen Exkursionen räumt Korn mit Vorurteilen auf. Oder wussten Sie, dass Gladiatoren dicke, wenig trainierte Vegetarier waren?
Preis der Jugendjury
Jugendliche können keine langen Texte mehr lesen, sondern nur noch Internet-Häppchen? Die Entscheidung der Jugendjury straft solche Vorurteile Lügen. Rund 600 Seiten dick ist Markus Zusaks Geschichte über Liesel, Tochter einer Kommunistin und Diebin von Büchern im Dritten Reich – auch von solchen, die verbrannt werden sollen. Zusak erzählt aus des Sicht des Todes, spannend, ohne pädagogische Sense. Alexandra Ernst, die bereits 2005 und 2007 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, hat „Die Bücherdiebin” übersetzt (cbj, Taschenbuch: 9,95 Euro, ab 14). Dass dieses Buch nicht nur für die Jugend geschrieben ist, wissen auch die Verlage: Blanvalet hat es noch einmal speziell für Erwachsene veröffentlicht. Der Unterschied: ein anderes Cover. Auf dem tanzt Liesel mit dem Tod.
Jugendbuch
Warum hat sich die Jury für dieses Buch entschieden? Diese Frage stellt sich besonders im Vergleich mit anderen Nominierungen, wie etwa „Verkauft” von Patricia McCormick (siehe Kasten). Kevin Brooks' Roman „The Road of the Dead” (Übersetzt: Uwe-Michael Gutzschhahn, dtv, 350 S., 11,95 Euro, ab 15) über den Mord an einer Schwester zweier ungleicher Brüder stellt die Frage nach dem Sinn von Gewalt. Ein gutes Buch. Doch es gibt noch tiefgründigere. Erwachsene sollten einen anderen Thriller wählen.
Gustav-Heinemann-Friedenspreis
Dieses Buch geht unter die Haut: Patricia McCormick erzählt in „Verkauft” die Geschichte der 13-jährigen Lakshmi aus Nepal, die vom Stiefvater an eine Mädchenhändlerin verkauft wird. Sie wird dazu gezwungen, in einem Bordell in Kalkutta zu arbeiten. Rund 12 000 Mädchen teilen jährlich ein ähnliches Schicksal. Die Autorin sprach mit einigen, die aus dem Sexhandel befreit wurden. Dafür wurde sie mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis geehrt.
„Verkauft” ist aufrüttelnd, poetisch, ein wichtiges Buch, auch für Erwachsene. Manche Kapitel sind nur einen Satz lang. Doch solch ein Satz hat es in sich, er bringt Unfassbares auf den Punkt: „Nach fünf Tagen ohne Wasser und Nahrung träume ich nicht mehr” (übersetzt von Alexandra Ernst, Fischer Schatzinsel, 310 S., 13,90 Euro, ab 14).