Duisburg. . Vor 100 Jahren wurde Lehmbrucks „Kniende“ in Paris zum ersten Mal ausgestellt.: Das Duisburger Lehmbruck-Museum feiert das Jubiläum der berühmten Skulptur nun vier Monate lang mit einer hochkarätigen Schau.
Von Haus aus ist die Dame ja Pariserin. Aber in Duisburg ist sie seit Jahren der Star, so schön und graziös, so weltberühmt und wegweisend für die Kunstgeschichte, dass man ihr nun die ganz große Bühne bereitet. „Die Kniende“ von Wilhelm Lehmbruck wird 100 Jahre alt. Und das Duisburger Lehmbruck-Museum feiert ihr Jubiläum mit der bislang aufwändigsten und üppigsten Ausstellung in der Museumsgeschichte.
So viel gipsglänzende Anmut und Bronze gewordene Sinnlichkeit, so viele entzückend gebogene Rücken und weiche Busen-Rundungen, kurzum so viel zauberschöne Menscherkundung hat man lange nicht mehr auf einem Fleck gesehen. 245 Exponate, darunter hochkarätige Leihgaben aus dem New Yorker MoMA, dem Pariser Louvre und dem Guggenheim Museum, von Brancusis „Kuss“ bis zu Henri Matisses „Jeanette IV“, von Modiglianis pfahlschmalem „Frauenkopf“ bis zu Edgar Degas’ dynamischem „Spanischem Tanz“ machen das Haus zum Skulpturen-Paradies. Dazu zeigt das Museum eine Auswahl an Grafik, Aquarellen, Zeichnungen, von Lehmbruck und Weggefährten wie Aristide Maillol. Aufs Farbenprächtigste ergänzt wird die Schau durch Malerei von Robert Delaunay bis Fernand Léger, die Lehmbrucks Pariser Jahre in einer Art eigens eingerichtetem Salon künstlerisch flankieren.
Die Mona Lisa für die Skulptur des 20. Jahrhunderts
1910 zieht der in Meiderich geborene Meisterbildhauer an die Seine. Hier finden seine Skulpturen zu neuer Größe, bekommt seine künstlerische Identität neue Inspiration, entfernt sich seine Formensprache immer mehr vom klassischen Figurenideal der Antike. Lehmbruck hat seinen festen Platz in den Salons zwischen Matisse und Picasso, Léger und Rodin. Und als „Die Kniende“ 1911 zum ersten Mal ausgestellt wird, da staunt das Publikum nicht nur über den angewinkelten Arm der knienden Figur, ein technisches Novum der Bildhauerei. Es rätselt auch über den eigentümlich entrückten Charme dieser schlanken Schönen, deren Faszination bis heute anhält.
Für Museums-Chef Raimund Stecker ist Lehmbrucks „Kniende“ nicht weniger als „die Mona Lisa für die Skulptur des 20. Jahrhunderts“. In Duisburg hat man sie erstmals vom Sockel geholt. Hier kann man sie nun auf Augenhöhe umrunden, ihre konzentrierte Entrückung erkunden, den etwas schief gelegten Kopf, der gleichzeitig zugewandt und abweisend wirkt.
In der Vergangenheit wurde Lehmbrucks Figur oft religiös gedeutet, als Verkündigungsengel oder als Empfangende. Raimund Stecker kommt zu einer anderen Erklärung, auch wenn die Schau die Motivforschung zur „Knienden“ gar nicht abschließen will. Für ihn ist die Geste „eine Verbeugung vor uns, vor dem Publikum, das aus dem Theater kommt“.
Schau aller Künste
Und so blickt die imposante Duisburger Schau nicht nur weit zurück in die Skulpturen-Geschichte, sucht Motivverwandtes von Lehmbrucks Künstlerkollegen und spürt hinein in die Atmosphäre der Pariser Salons. Sie widmet sich auch der Musik, dem Theater, dem Tanz, der für die Künstler im frühen 20. Jahrhundert zur reichen Inspirationsquelle wird. Das Ballett Russes mitseinen Stars als Vorbild für Lehmbrucks graziöse Geste?
„Die Anmut“, so viel steht für Raimund Stecker jedenfalls fest, „kniet in Duisburg!“ Mit so einem Satz überzeugt man ein Kuratorium, gewinnt das Publikum und streichelt wunde Duisburger Bürgerseelen. Stecker hat ihn schon vor seinem Amtsantritt gesagt. Und aus dem kunsthistorischen Kompliment ist längst ein Konzept geworden. Nicht zuletzt dank des millionenschweren Ankaufs des Lehmbruck-Nachlasses schickt sich das Museum an, das Haus für die Lehmbruck-Forschung weltweit zu werden. Der Anfang ist gemacht. Der Katalog zur Schau füllt eine Lücke in der Lehmbruck-Literatur.