Gladbeck. . Shakespeares „Macbeth“ ist bekannt dafür, dass hier ein Ehepaar sicht machtgeil bis zur Krone mordet und danach mit dem Töten nicht mehr aufhört. Regisseur Luk Perceval sucht bei seiner Ruhrtriennale-Inszenierung nach den Ursachen.
Ein Opernglas wäre hier nicht verkehrt. Wer am Ende der riesigen Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck sitzt, für den scheint Macbeth unendlich weit entfernt. Und eigentlich möchte man doch sehen, was in diesem Mann vorgeht, der da in Gestalt des Schauspielers Bruno Cathomas fast 40 Minuten am Eingang seines Schlosses regungslos verharrt. Kein vom Schlachtfeld heimkehrender triumphaler Sieger scheint uns, eher ein traumatisierter Krieger, der die Realität gar nicht wahrnehmen will.
Vom hungrigen Machtmenschen, der sich mit Hilfe seiner Gattin berechnend bis zur Königskrone mordet, muss man sich in Luc Percevals stark gekürzter „Macbeth“-Version für die Ruhrtriennale verabschieden. Übrig bleibt ein Häuflein Mensch, von den Gräueln des Krieges ebenso verfolgt wie von den Hexenstimmen in seinem Kopf. Und dann auch noch das: keine wahre Liebe mehr daheim, eher Erniedrigung. Die Lady bleibt, der Halle sei’s gedankt, auf weiter Distanz zu ihrem Gemahl. Mord als Therapie demnach, denn erst das bald schon einsetzende gemeinsame Töten schafft wieder ein wenig Nähe zwischen diesen beiden.
Ein interessanter Ansatz sicherlich, aber der Zuschauer muss dafür im zähen ersten Teil des Abends die Zeche zahlen. Nicht nur Macbeth wirkt hier lange Zeit statuarisch, auch die Inszenierung erlebt eine bleierne Zeit. Lady Macbeth (Maja Schöne) produziert viel Leerlauf, indem sie unentwegt quer durch den Saal stöckelt, Freund Banquo (Alexander Simon) möchte wohl gern Party machen, scheint aber angesichts von Macbeths Phlegma leicht gehemmt. Und der Zuschauer muss sich aus den Äußerungen Dritter zusammenreimen, was die Regie gestrichen hat.
Ist unser Kriegsheimkehrer endlich zum Mord an seinem Logigast König Duncan bereit, muss Bruno Cathomas trotzdem weiter watteweich piano sprechen, darf nach vollbrachter Tat sein Entsetzen nur durch hochgerissene Arme signalisieren. Blut fließt bei dieser stilisierten Tat ohnehin keines, was hier tropft ist höchstens Rotwein. Irgendwann aber kommt der Moment, da lässt Shakespeare sich nicht länger in Zaum halten, da gelingen auch Perceval plötzlich Szenen von großer Eindringlichkeit.
Hexen als Wucherung
Nehmen wir nur die Hexen, die hier in neunfacher Ausfertigung und nur mit Langhaar bekleidet, wie Wucherungen aus Macbeths Schädel sich in den Seitennischen winden. Um sie herum regiert das Chaos in Form eines gigantischen Bergs von wild aufeinander gestapelten Tischen (Bühnenbild: Annette Kurz), erzählt eine unüberschaubare Anzahl von Stiefeln von den Toten des Krieges. Wenn McDuffs toter Sohn zum Ende hin dies Schuhwerk wieder sorgfältig aufreiht, ist das ein schönes Symbolbild für den wachsenden Widerstand gegen Macbeth.
Der aber kann schließlich doch wieder seine Frau in den Armen halten, nur ist sie da nach erfolgreichem Suizid leider schon tot. Wie befreit erhebt Bruno Cathomas da endlich seine Stimme, schreit die Seelenpein Macbeths hinaus, kann aber schon bald nur noch marginal nachplappern, was ihm andere zuflüstern. Nur noch kehlige Laute ausstoßend taumelt dieser Machtmensch aus Angst seinem Ende entgegen. Und hinterlässt zumindest jetzt einen Eindruck von Größe. Der färbt nun endlich auch auf die Inszenierung ab.