Mülheim..
In Kanada hat Jörg Juretzka Blockhütten gebaut, so steht es weltenbummelig im Klappentext seiner Krimis. Dabei ist er durch und durch Mülheimer, denn: „Hier komme ich am besten klar.” Wie er vom Holz auf den Stift kam und warum er eigentlich schreibt, erzählt er im Gespräch mit Britta Heidemann.
Herr Juretzka, Sie sind gelernter Zimmermann – wie kommt man von da aufs Schreiben?
Jörg Juretzka: Ich habe mir das Schreiben nicht ausgesucht, es hat mich gefunden.
Wie sieht das aus, wenn das Schreiben einen findet?
Juretzka: Formulierungen haben angefangen in meinem Kopf zu kreisen und wollten heraus. Ich habe aber anfangs gezögert, weil ich nicht wusste, was das mit mir macht.
Was haben Sie befürchtet?
Juretzka: Man verrät beim Schreiben seine Träume und damit auch seine Frustrationen, das wollte ich nicht.
Ihr erstes Buch war…?
Juretzka: Es waren drei auf einmal: ein Kinderbuch, ein Jugendbuch und ein Krimi. Ich habe nur Absagen bekommen, weil ich keine Ahnung hatte und dachte, na gut, wenn das nicht ankommt – dann schreibe ich halt was Besseres. Mein zweiter Krimi erschien dann vor dem ersten.
Jetzt gibt es den 10. Krimi um Kristof Kryszinski - ein ungewöhnlicher Ermittler.
Juretzka: Ja, er ist anders. Er lebt ein verlottertes, schnelles Leben.
Hat er was von Ihnen?
Juretzka: Klar. Ist ja immer so. Das Verlotterte, Schnelle – so war ich früher. Aber mit Mitte 30 sollte man den Absprung schaffen, finde ich.
Können Sie heute vom Schreiben leben?
Juretzka: Es besteht durchaus noch die finanzielle Notwendigkeit eines zweiten Standbeins. Ich arbeite hin und wieder noch auf dem Bau. Aber das ist mein Leben, da fühle ich mich sehr wohl. Da hat man nach getaner Arbeit ein wirkliches Ergebnis vor Augen. Das ist eine andere Art von Anstrengung, die wesentlich angenehmer ist als die geistige Anstrengung. Nach dem Schreiben fühle ich mich oft ausgelaugt.
Und warum tun Sie sich das an?
Juretzka: Wenn sich ein Talent in einem selbst entwickelt und Bahn bricht, dann ist das Ansporn genug. Ich teste mich selbst: Kriege ich das hin, eine Szene zu schreiben, in der zehn Leute gleichzeitig agieren? Das Schreiben ist ein ständiges Sich-Selbst-Austesten, ein Dazulernen.
Wissen Sie, wenn es gut ist?
Juretzka: Ja, durch die furchtbare Gabe der Selbstkritik. Ich lege enorm viel Wert darauf, dass ein Text sich leicht liest und er ausbalanciert ist – wie ein Mobilé.
Wann schreiben Sie?
Juretzka: Ich setze mich morgens hin und schreibe, bis ich nicht mehr kann.
Recherchieren Sie?
Juretzka: Nein. Ich denke mir alles aus, ich habe genug Fantasie. Meine Recherchen für den Krimi „Equinox“, der auf einem Kreuzfahrtschiff spielt, bestanden darin, dass ich die Nachtfähre von Rotterdam nach England genommen habe. Die erste Hälfte der Nacht saß ich an der Bar, die zweite habe ich unterm Tisch geschlafen. Ehrlich: Ich kann die Krimi-Szenen, die in der Pathologie spielen, nicht mehr lesen. Da haben die Autoren da hospitiert, und dann muss das auch 20 Seiten füllen… Nö, da mache ich nicht mit.
Aber Sie schöpfen ja durchaus aus der Gegenwart – die Terrorbedrohung etwa spielt in „Freakshow“ eine Rolle… Was denken Sie darüber, wie Deutschland damit umgeht?
Juretzka: Als der Verfassungsschutz vor den Salafisten gewarnt hat, da habe ich mich tagelang lustig drüber gemacht! Das Problem beginnt immer, wenn Religion in die falschen Hände gerät – von Scharfmachern, die auf dem Humus von Ängsten und der Behauptung, verfolgt zu werden, agieren.
Sind Sie gläubig?
Juretzka: Nein. Ich bin sehr früh aus der Kirche ausgetreten. Ich glaube, dass das Leben endlich ist – und man mit seiner Zeit etwas anfangen sollte.
Wie am besten?
Juretzka: Das Wichtigste ist, dass man erkennt, wenn es einem gut geht. Man sollte nicht dauernd etwas hinterher hecheln. Und andererseits muss man auch erkennen, wenn es nicht so gut läuft, wenn man sich etwas erarbeiten muss.
Wovon träumen Sie?
Juretzka: Vielleicht, einen Bestseller zu schreiben, der ins Englische übersetzt wird… Aber ich habe eigentlich keine Frustrationen, die ich mit großen Träumen bekämpfen müsste.