Bonn. . Mit 17, hat man da wirklich noch Träume? Das Bonner Haus der Geschichte beleuchtet das Jungsein in Deutschland. Der bunte Parcours der Protest- und Pickeljahre beschert ein Wiedersehen mit Vespa, Bravo und FDJ-Hemden

Sozialhistorisch gesehen ist der Begriff der Jugend noch taufrisch. Erst im 19. Jahrhundert ist dieses hormonell heikle Stadium zwischen Kindheit und Erwachsenenalter genauer benannt worden und seither Thema etlicher Ausstellungen, Studien und Forschungsarbeiten gewesen.

Auch das Haus der Geschichte in Bonn widmet sich nun jenem Lebensstadium, das heute doch als Glücksversprechen schlechthin, als Ideal einer immer älter werdenden Gesellschaft gilt. Die Ausstellung „Mit 17 – Jung sein in Deutschland“ knüpft dabei nicht von ungefähr an einen Hit von Peggy March aus dem Jahre 1965 an. Man muss einfach nostalgisch werden bei diesem Rundgang durch deutsch-deutsche Jugendkultur, von Rock’n’Roll bis Rollerblades.

Gestartet wird aber in der Gegenwart. Jugend im 21. Jahrhundert, was ist das? Ist das die „Generation Hoffnungslos“, die „Generation Praktikum“, die „Generation Facebook? Die Debatte bleibt auf Magazin-Schlagzeilen beschränkt, wie sich doch vieles im Plakativen, Collagenhaften bewegt. Die Jugend in Vitrinen zu stellen, erweist sich halt als schwierig. So stimmungs- und meinungsschwankend wie man mit 17 eben ist; heute dieses Lied, morgen jener Look. Politischer Aufruhr, familiäre Auflehnung, Gefühlsamok: schlaglichtartig erfasst.

Hauptsache, das Wort Liebe kam vor

Trotzdem gibt es viel zu sehen auf diesem Parcours der Protest- und Pickeljahre. Mehr als 800 Ausstellungstücke hat die Schau zusammengetragen, von der unvermeidlichen Vespa bis zum FDJ-Hemd, vom Kondomautomaten Blausiegel bis zum Skateboard, vom Ted-Herold-Clubausweis bis zum Clearasilfläschchen, der Anti-AKW-Aufkleber und Rudi Dutschkes Lederjacke dürfen auch nicht fehlen.

Ein Schwerpunkt der Schau liegt dabei auf der Gegenüberstellung von Jugend in Ost und West. Das die gar nicht so unterschiedlich verlaufen ist, weiß Ausstellungsmacher Bernd Lindner vom zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig. Allein, mancher Trend brauchte ein bisschen länger, bis Mauer und Sprachbarrieren überwunden waren. Weil Bands in der DDR zwar Punksongs aus dem Westen nachspielen wollten, aber keine Texte hatten, blieb oft nur das Mitschreiben. Da Englisch im DDR-Unterricht zu den vernachlässigten Fächern gehörte, blieb oft nur das Wort Love übrig. „Wenn das vorkam, reichte es“, erzählt Lindner.

Doktor Sommer und Hella von Sinnen

Dagegen dürfte sich mancher Punk von damals wundern, welcher duften Bastelgruppe er doch angehörte, wenn er Begleittexte wie diese liest: „Das Selbermachen ist für Punks sehr wichtig. Sie stellen mit billigen Mitteln Schmuck her oder schreiben mit Wachsmalkreide Parolen an Hauswände.“ Ähnlich betulich nähert sich die Schau vielen Themen, von der ersten Liebe bis zur Inflation der Facebook-Freundschaften.

Etwas mehr Bewertung, Zuspitzung und Einordnung wäre da zu wünschen, auch wenn sich die Ausstellung thematisch viel vorgenommen hat, von Musik bis Mode, von Religion bis Rebellion, vom Ausbildungsvergleich zwischen Ost und West (Jan Josef Liefers hat mal Tischler gelernt) bis zum Thema Sexualität. „Tina, wat kosten die Kondome?“ quäkt da Hella von Sinnen immer noch aus einem Anti-Aids-Werbespot, während der Strom der durchgeschleusten Jugendgruppen vor Dr. Sommers Bravo-Briefwechsel zum Stoppen kommt.

Womit man schon beim Thema Familienplanung wäre. Die Zukunfts-Träume von heute nämlich, dazu zählen eben nicht nur Schönheits-OPs für die Nase oder Firmenchef von Porsche zu werden. Zufrieden sein, eine Familie gründen, auch das sind bis heute vielfach genannte Wünsche. Jugend ist vergänglich, aber manches Ideal doch unverwüstlich. Von Peggy March allerdings hat in dieser Runde noch niemand gehört.