Essen. Uraufführung im PACT Zollverein: Die Kompanie „Damaged Goods“ tanzt Meg Stuarts „Violet“ und zieht damit weiter nach Avignon.

Ein gewaltiger Abend. Physisch beanspruchend bis in den letzten Nerv, für die Tänzer, fürs Publikum. Wie gewohnt sind Meg Stuarts Tänzer seelisches Leiden in körperlicher, widerholender Bewegung. Der stumme Schrei, die zitternden Hände, die Zuckungen am Boden zeugen von Zerbrechlichkeit. Und doch ist diesmal alles anders.

In „Violet“, das die amerikanische Radikal-Choreografin mit ihrer Kompanie „Damaged Goods“ im Essener PACT Zollverein uraufführte, bevor sie damit weiter zum Festival d’Avignon zieht, sind die Bewegungen geschichtenlos. Die Tänzer liefern keine Persönlichkeitsstudien, kämpfen weder gegen Naturkatastrophen (wie in „Blessed“) noch gegen Familienmitglieder (wie in „Do Animals Cry“). „Violet“ bleibt abstrakt, das Chaos komponiert.

Hinter den Tänzern steht eine schwarz-glänzende. An einigen Stellen sind Dellen, als hätte jemand darauf eingetreten. Ein gebrochener Spiegel, Sinnbild einer wunden Seelenlandschaft. Zu Beginn stehen die fünf Tänzer davor, drehen und heben ihre Glieder nur minimal, bis sich ihre Bewegung steigert zum Fingerflattern, Armrudern, Kopfschlackern. Die Performer bringen nicht das Monster im Menschen zum Vorschein, sondern übersetzen Physik in menschliche Bewegung.

Ihr Akku ist die Musik. Zum ersten Mal arbeitete Meg Stuart mit Brendan Dougherty zusammen. Doughertys elektronische Klänge und sein Percussionspiel hämmern sich dem Zuschauer mit einer Intensität ein, die auch überfordert. Wie ein Finale, das nicht endet, das permanent auf dem Höhepunkt bleibt und so körperlich erfahrbar wird, als Energie und Triebkraft.

Dann ist es plötzlich wieder still. Ruhe nach dem Orkan. Die Bewegungen der Tänzer werden dementsprechend langsamer, sanfter. Paare berühren sich, ein Hauch von Menschlichkeit in dieser Ansammlung batteriegeladener Betriebsamkeit. Als Pulk rollen sie mit- und übereinander im Kreis, dann neue Beats, neue Drehungen. Nur Stillstand, den gibt es nicht.