Ruhrgebiet. .

Das Revier ist ein heißes Pflaster, auch literarisch: Vier Revierkrimis von Sonja Ullrich, Gabriella Wollenhaupt, Arnd Federspiel und Margit Kruse beschäftigen sich mit den kriminellen Seiten des Ruhrgebiets.

Die Gassen von Castrop-Rauxel sind nicht die Straßen von San Francisco, aber dass das Ruhrgebiet ein hochkriminelles Pflaster hergibt, schlägt sich längst auf dem Buchmarkt nieder. Die Revier-Krimis stauen sich geradezu in den Buchhandlungen, und so schicken wir heute schon mal vier ins Rennen . . .

„Fummelbunker?“ – „Casino. Spielhölle. Zockerbude.“ So wird auf Seite 158 der rätselhafte Titel von Sonja Ullrichs zweitem Bochum-Krimi entschlüsselt, allerdings bleibt „Fummelbunker“ nicht Ullrichs einzige eigenwillige Wortwahl. Bei ihr können Linienbusse „saumselig“ sein, flattern „Bordsteinschwalben“ herum und ein 69-Jähriger ist ein „Klepperhannes“.

Der Plot: Esther Roloff, angestellt bei Tozduman Securities in Wattenscheid, hilft ihrem Bruder Olaf, den vermissten Arbeitskollegen Boris Bäcker zu suchen. Die Spur führt in den „Fummelbunker“ und zu holländischen Geldwäschern. Der Journalist Bäcker führte zudem ein Doppelleben: Der Redakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung in Dortmund schrieb nebenbei für eine braune Zeitung. Auf Seite 4 des Romans steht zu Recht: „Personen und Handlung sind frei erfunden.“

Der Lese-Eindruck bleibt zwiespältig. Regionalität wird mit der Aufzählung von Straßen behauptet. Dafür stagniert die Personenentwicklung über weite Strecken. Staunenswert ist allerdings, wie viele schräge Typen und Szenen die 1977 in Lünen geborene Autorin sich auszudenken vermag. (hei)

Gabriella Wollenhaupts Grappa ist längst eine feste Größe unter den hiesigen Hobbyermittlern. Ihr nunmehr 20. Buch aus „Bierstadt“ (übersetzbar etwa mit: Dortmund) unter dem Titel „Grappa und die Seelenfänger“ hat denn auch die Behauptung einer regionalen Verankerung kaum noch nötig, so sehr atmet Grappa Revierluft.

Ebenso verzichtbar wären allerdings die nervig sprechenden Namen: Maria Grappa, die gerne mal einen trinkt, wird vom neuen, lifestylig orientierten Chefredakteur Dr. Berthold Schnack angesetzt auf die Sendung „Wir suchen dich, Superstar“ und den Chefjuror Pitt Brett. Denn Schnack will, dem Zeitungstrend folgend, mehr Familienthemen und weniger Polizeireports im Blatt haben. Zum Glück für Polizeireporterin Grappa aber wird Pitt Brett entführt, angeblich von der „Kirche der Erleuchteten“. In deren Umkreis wiederum geschieht ein Mord...

Grappa hilft bei der Lösung des Falls nicht nur ihre engere Bekanntschaft mit Polizist Friedemann Kleist, sondern auch der Zufall. Aber das tut diesem handwerklich solide gearbeiteten, durchweg unterhaltsamen Stück Revier-Literatur keinen Abbruch. (hei)

Krimi-Debütant Arnd Federspiel wurde 1966 in Oberhausen geboren, studierte Jura, Anglistik und Schauspiel in Deutschland und England und lebt heute mit seiner Familie wieder im Ruhrgebiet. Sein Roadmovie „Bei Hitze Mord“ spiegelt cineastische Leidenschaft nicht nur in direkten Referenzen an Humphrey Bogart und Clint Eastwood, sondern auch durch gekonntes Timing. Held Tom fährt einsam durch die Nacht, auf dass der Fahrtwind ihn kühle, als plötzlich die nur mit einem T-Shirt bekleidete Lena in seinen Wagen springt. Dass es gar nicht ihr Ex-Freund ist, der sie verfolgt und kein Liebesdrama, das ein Menschenleben kostet, erfährt Tom im Laufe einer langen Nacht. Lena ist beim Landeskriminalamt, war als verdeckte Ermittlerin illegalem Waffenhandel auf der Spur… Vom Oberhausener Hauptbahnhof bis in einen Mülheimer Ruderclub reicht die wilde Jagd mit ordentlich gemachten Spannungsmomenten. Allein die Auflösung der Frage, wer der eigentliche Drahtzieher und Verräter in dieser Story ist, gerät zu durchschaubar. (hei)

Wahrscheinlich hat Margit Kruse mit ihrer Heldin Margareta Sommerfeld in ihrem Ruhr-Krimi „Eisaugen“ das Gemüt einer Süßwaren-Verkäuferin aus Gelsenkirchen-Buer gut getroffen, ebenso wie die Atmosphäre einer ehemaligen Zechensiedlung mit einem Höchstmaß an sozialer Kon­trolle. Nebenan auf dem Friedhof wird die Leiche einer jungen Frau entdeckt, und die Heldin verdächtigt gleich drei verschiedene Männer. Doch dann wird weiter munter gestorben, einmal ist auch Margaretas Vater an der Reihe . . .

Die Story gibt den Täter nicht allzu früh zu erkennen, und die leitmotiv-artigen Eisaugen, die den Leser alle Naselang anblicken, deckt der Roman am Ende selbst als Klischee auf. Die mehrfache Desillusionierung der Heldin ist seine stärkste Seite.

Sprachlich ist das Buch allerdings sehr dicht am Alltagsjargon gebaut (inklusive falscher indirekter Rede und Grammatikbolzen), sofern es nicht in staksigem Papierdeutsch daherkommt. Wer sich daran nicht stört, wird auch im etwas lang gestreckten Finale durchhalten. (JD)

DIE BÜCHER

Sonja Ullrich: „Fummelbunker“. Gmeiner Verlag, 370 S., 11,90 €.

Gabriella Wollenhaupt: „Grappa und die Seelenfänger.“ Grafit, 224 S., 8,99 €.

Arnd Federspiel: „Bei Hitze Mord“. Droste, 192 S., 9,95 €.

Margit Kruse: „Eisaugen.“ Gmeiner Verlag, 321 S., 9,90 €