Essen. . Die Theater in Wuppertal, Moers, Oberhausen und Hagen sind vorerst gerettet. Aber nun klafft im Bochumer Schauspielhaus eine Lücke von mindestens 500.000 Euro. Auf den Bühnen droht die Qualität auf der Strecke zu bleiben.

Die vorletzte Katastrophenmeldung aus der Theaterlandschaft ist schon ein paar Monate her. In Wuppertal hat sich das schon totgesagte Schauspiel mit der Hoffnung auf einen Großsponsor irgendwie in die nächste Saison gerettet. In Moers, wo es vor Jahresfrist ebenfalls brannte, bekommt das Schlosstheater mit dem 1,3-Millionen-Zuschuss nun bis 2014 jedes Jahr 50 000 Euro weniger.

In Oberhausen schrumpft der Theater-Etat nun schon in der dritten Spielzeit um 750.000 Euro und im nächsten Jahr gar um eine Million – dafür ist die drohende Schließung vom Tisch. Und in Hagen, wo schon Pläne kursierten, das Drei-Sparten-Haus ganz aufzugeben um eine bloße Gastspielbühne draus zu machen, verdecken kurz vor den Theaterferien die anstehenden 100-Jahr-Feiern des Hauses alle Diskussionen.

Ungeklärte Personalkosten

Doch nun schlägt das Bochumer Schauspielhaus Alarm, wo sich für Intendant Anselm Weber „nicht nur ein Finanz-Loch, sondern ein ganzer Graben“ aufgetan hat: 500.000 bis 750.000 Euro fehlen im Jahresetat. Als das Theater vor fünf Jahren in eine „Anstalt öffentlichen Rechts“ umgewandelt wurde, blieb ungeklärt, wie die alljährlichen Tariferhöhungen für die 288 Mitarbeiter des Hauses finanziert werden sollen.

Anselm Weber schloss eine Neben-Spielstätte (was rund 160.000 Euro im Jahr spart) und erhöhte die Kartenpreise – auf das Niveau von Essen und Dortmund. Sie liegen künftig zwischen 11 und 29 Euro, was optimistisch gerechnet 100.000 Euro bringen kann. Wie der Rest finanziert werden soll? Weiß auch der Intendant nicht. Zumal die Stadt für drei Jahre unter Haushaltssperre steht.

Viel Zeit für Finanzen

Als Weber noch in Essen das Grillo-Theater leitete und es landesweit an die Spitze führte, „belohnte“ man ihn fast jedes Jahr mit einer Etatkürzung. Dass er aus relativ wenig Geld viel Theater machen kann, dürfte Webers Berufung ans renommierte Schauspielhaus Bochum nicht gerade verhindert haben. Doch nun steht er vor einer Finanzierungslücke, von der weder er noch die meisten Verantwortlichen in Bochum überhaupt gewusst haben. Weber musste sein erstes Amtsjahr nicht selten der doppelten Buchführung und der Personalplanung widmen, um hinter das Finanzdesaster zu kommen. Da blieb weniger Zeit für das künstlerische Profil des Schauspielhauses – wohl auch ein Grund dafür, dass Webers Antritts-Saison weniger glanzvoll verlief als erhofft.

Webers Nachfolger in Essen muss derzeit mit 3 Millionen Euro jährlich auskommen, Kürzung: 400.000 Euro. Und in den alljährlichen Kritiker-Umfragen fiel das Grillo weit hinter frühere Plätzen zurück. Christian Tombeils erstes Jahr scheint ein Beleg dafür zu sein, dass weniger Geld für Qualitätseinbußen auf der Bühne sorgt.

Kann sein – muss aber nicht. Das Beispiel Oberhausen belegt, dass künstlerische Qualität auch mit kleineren Etats zu erreichen ist. Intendant Peter Carp, dessen Haus noch vor drei Jahren beinahe geschlossen worden wäre, spricht von einem „kleinen Theaterwunder“ und meint damit Erfolge wie die Einladung von Herbert Fritschs „Nora oder ein Puppenhaus“-Inszenierung zum Berliner Theatertreffen, aber auch die Anerkennung der Kritik. Carp verweist auf Einsparungen durch „straffes Zeit- und Personalmanagement“ in Oberhausen. Vor allem die technische Mannschaft ist verkleinert worden, aber die Zahl der Vorstellungen nicht. „Und so muss ich mir permanent anhören, dass ich das Haus überfordere“, sagt Carp, „nach einer Spielzeit sind hier alle richtig durch“.

Heißt auch: Jede weitere Kürzung wird sich sichtbar niederschlagen. Auf der Bühne nämlich.

Land gibt Millionen

Solange aber die Theater an Rhein und Ruhr vor allem von den Städten finanziert werden, die beinahe vollständig in Haushaltssicherungskonzepten gefangen sind, wird es Notfälle wie den jüngsten in Bochum immer wieder geben.

Da ist es mehr als ein Signal, dass die rot-grüne Landesregierung in Gestalt der Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) 4,5 Millionen Euro bewilligt hat, um den Bühnen unter die Arme zu greifen. So wie es aussieht, wird die Theaterkonferenz NRW (aus Intendanten, städtischen Kulturpolitikern und Ministeriumsvertretern) im Herbst beschließen, wie das Geld verteilt wird. „Jeder Intendant bemüht sich, ein gerechtes Modell zu finden, das möglichst viel Geld in sein Haus leitet“, scherzt ein Insider, bescheinigt der Runde aber immerhin viel Redlichkeit und Bereitschaft zum Kompromiss.