Mülheim. . Sein neuer Roman hat sich fürs Ruhrgebiet entschieden. „Ruß“ spielt in Duisburg. Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu über Klischees, Migration und alles, was echt ist.

Feridun Zaimoglu ist ein Vermittler zwischen den Kulturen. Nach Romanen wie „Kanak Sprak“, „Leyla“ und „Liebesbrand“, widmet er sich in seinem neuen Buch dem Revier. „Ruß“ ist eine Ruhrgebiets-Saga. Margitta Ulbricht sprach mit Feridun Zaimoglu.

Was ist das Ruhrgebiet für Sie?

Ich liebe es. Das Ruhrgebiet ist das Gegenteil dessen, was im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadt 2010 gezeigt wurde. Es ist weder Spektakel noch inszeniert, sondern es ist echtes Leben.

Dem Titel „Ruß“ haben Sie hinzugefügt: Liebe, Trauer und Vergeltung im Ruhrgebiet – eine deutsche Saga...

Das Ruhrgebiet ist nicht nur Schauplatz, sondern in der Retrospektive ist der Roman eine deutsche Arbeitersaga mit der Geschichte des Ruhrgebiets. Und nach vorne ist es die Geschichte von Vergeltung – ja oder nein? Von der großen Liebe, von der Leerstelle, vom Fall und von neuer Liebe. All das erzähle ich an Schauplätzen im Ruhrgebiet.

„Ich wollte keine völlig sanierte Stadt haben!“

Warum spielt Ihr Roman gerade in Duisburg?

Weil ich keine völlig sanierte Stadt haben wollte. Ich verstehe die Leute nicht, die sagen: Man soll uns nicht gleichsetzen mit Kohle. Das ist das alte Ruhrgebiet. Wir bieten auch Dienstleistungen an. Wir sind jetzt eine Oase: Kulturrouten werden eingerichtet. Das ist zwar alles schön und gut, aber ich bin kein Tourist. Mich interessiert nicht das, was Kulturbürokraten tun, sondern mich interessiert, wie die Menschen sich geben. Ich war 15,16 Mal in Duisburg.

Worauf kommt es Ihnen bei der Recherche an?

Ach, Recherche klingt so technisch und kalt. Ich gehe kilometerlange Strecken zu Fuß. Ich halte mich dort auf in dieser Stadt, in diesen Milieus, ich bin diskret. Ich gehe nicht los und frage die Leute, sondern ich habe hingeschaut und hingehört. Wie sprechen die Leute? Wie verhalten sie sich? Wie sind sie angezogen? Die Details sind sehr wichtig.

Je mehr ich da bin, desto eingestimmter bin ich. Und irgendwann habe ich den Ton. Ich habe mich also immer wieder tagelang in Duisburg aufgehalten, nachdem für mich die Entscheidung gefallen war. Duisburg ist weder Service-Dienstleistungs-Paradies, neue Stadt im Ruhrgebiet, noch klein und steckengeblieben wie Gelsenkirchen oder Mülheim, sondern etwas dazwischen. Trotzdem hat der neue Innenhafen in Duisburg nicht das Geringste damit zu tun.

„Keine Ethno-Hysterie“

Sie beschäftigen sich mit der Migrantenfrage. Fühlen Sie sich nicht manchmal wie ein Quoten-Türke?

Ich bin ja nicht der Experte für die Migrantenfrage, sondern ich habe sogar im Vorwort meines ersten Buches auch darauf hingewiesen, dass ich über deutsche Szenen schreibe, dass es etwas mit Deutschland zu tun hat. Dieser Jargon „Kanak Sprak“ ist ein deutscher Jargon.

Und ich habe darauf hingewiesen, dass man in zwei, drei Generationen genauso sagen wird wie heute: Meine Vorfahren kommen aus Pommern und Schlesien. Dann werden Deutsche sagen: Meine Vorfahren kommen aus Anatolien. Ich habe immer dagegen angeschrieben: Keine Ethno-Hysterie, kein Indianer-Reservat. Es ist eine deutsche Wirklichkeit.

Aber: Irgendwann habe ich nach ein paar Jahren gemerkt: Ich bin tatsächlich der Quoten-Türke, der in der Talk-Show sitzt. Vor allem bin ich der „wild angry man from the ghetto“. Und ich kam immer mit dem Kultur- und Kunstanspruch, mit Feinheit. Wenn man mal all diese Begriffe wegschiebt, dann geht es doch immer um die Frage: Fühlt man sich eingesetzt oder ausgesetzt? Wenn man sich in einem Land ausgesetzt fühlt, wird man sich ständig beschweren und man ist dann nichts weiter als ein Mecker-Onkel. Wenn man sich eingesetzt fühlt, dann wird man sich als Teil des Landes begreifen.