Düsseldorf. . Mit dem Eurovision Song Contest versucht die Landeshauptstadt, Touristen von ihrem Charme zu überzeugen. Doch einige Journalisten möchten sich von ihren Vorurteilen von Schicki und Micki trotzdem nicht lösen.

Wer nach der blondierten Millionärsgattin mit einem Pfund Zitterhund an der Leine fahndet, der wird sie vor dem Gucci-Schaufenster an der Königsallee irgendwann entdecken. Wahrscheinlich hat sie den Porsche Cayenne gerade im vierten Versuch erfolgreich eingeparkt und will zwischen Friseurtermin und Thermolifting beim Schönheitsspezialisten noch schnell ein paar Einkäufe bei Escada und Tod’s erledigen. Alles Latte macchiato?

Dass Schicki sich mit Micki in Düsseldorf beim Pelzelüften paart, hat sich eingebrannt ins deutsche Ge­dächtnis. Auch der WDR pflegte lange Zeit das Bild vom schnöseligen Gernegroß als Kontrastprogramm zum ach so lustigen Kölner. Und wer liest, was deutschen Journalisten im Vorfeld des Eurovision Song Contests dazu eingefallen ist, der stößt natürlich auch auf Spott, auf Schmähungen. „Unser Dorf soll schöner werden“ lästerte der Spiegel und ätzte reichlich über die „600 000-Seelen-Kolonie“ am „Arsch der Welt“. Das Dorf an der Düssel, schick und doof?

Alexandra Iwan klingt einigermaßen verärgert. Sie berät die Stadt zum Gesangswettbewerb und hat unter anderem die Betreuung der Medienbesucher gesteuert. „Ich wundere mich über die Bequemlichkeit. Es gibt Journalisten, die mit dem fertigen Text im Kopf anreisen und sich nicht die Mühe machen, das andere Düsseldorf zu entdecken. Was passt, wird geschrieben, was nicht passt, lässt man weg.“

Auf der Kö laufen kaum Düsseldorfer rum

Die Sonntags-FAZ stellte gar in einer eigentümlichen Einleitung fest, wie hässlich die Stadt vom Zug aus betrachtet sei, ehe der Autor in der Altstadt doch noch die Kurve bekam. Und natürlich schließt Alexandra Iwan mit dem Satz, der hier zum klassischen Verteidigungsrepertoire gehört: „Auf der Kö laufen ja kaum Düsseldorfer herum.“

Der Düsseldorfer hat eigentlich keine Lust mehr, sich zu erklären, holt aber doch zu solchen Gegenschlägen aus. Er pocht auf die quicklebendige Kunstszene, die mit der Akademie und Lüpertz und coolen Fotojungs wie Andreas Gursky verbunden ist, darauf, dass sämtlicher Elektronikpop in der Welt seine Wurzeln bei „Kraftwerk“ hat und dass die „Toten Hosen“ kaum weniger Tonträger verkauft haben dürften als sämtliche Kölner Kapellen zusammen.

Der Düsseldorfer erinnert ans bodenständige Altbierbrauchtum, an die ungezählten Kneipen in schönen Vierteln wie Oberkassel oder Kaiserswerth, an den malerischen Rheinknick. Oder daran, dass die Arbeitswelt jenseits von Banken, Werbeagenturen und Modefirmen immer mit Na­men wie Mannesmann und bis heute mit Henkel verbunden ist. Er räumt ein, dass man die Stadt etwas glatt finden darf und dass ihr wenigstens eine Prise Anarchie gut täte.

Neid auf die schuldenfreie Stadt?

Der CDU-Oberbürgermeister Dirk Elbers, ein Hüne, Typ großer Onkel, ärgert sich über das Bedienen der Chichi-Klischees in Medien nicht mehr, behauptet er. „Das ist Neid“, glaubt er. Auf eine schuldenfreie, erfolgreiche Stadt – „die musterhaft funktioniert“, wie „taz“-Kolumnist Jan Feddersen mittlerweile einräumt.

Seine unvoreingenommenen Kollegen aus dem Ausland werben in diesen Tagen für die Stadt in dem Maße, in dem sie sich das von Anfang ge­wünscht hat. Ihnen gefällt’s. Warum tut sich Düsseldorf so schwer damit, ein positives Bild jenseits seiner Grenzen in Deutschland zu erzeugen?

„Marken“, erklärt der Marler Werbeprofi Frank Dopheide, ehemals Chef beim Branchenriesen Grey, „sind Identifikationsgemeinschaften. Wer in Berlin lebt, steht auf Underground, der Hamburger liebt das hanseatisch Unterkühlte, und auch Ruhrgebietsstädte ticken völlig an­ders als Düsseldorf, die können das Lebensgefühl der Stadt nicht gut finden.“

Das Produkt ist besser als die Marke

Dabei sei das Produkt Düsseldorf „viel besser als die Marke, ob man an Lebensqualität, an Kultur, Jobs oder Kinderbetreuung denkt“. Die Stadt trumpfe mit räumlicher und menschlicher Nähe auf, sei nicht weltstädtisch, aber im positiven Sinne. „In London brauchen Sie vom Flughafen bis in die Stadt zwei Stunden, und in Moskau werden Sie mit den Menschen nicht warm.“

In allen erdenklichen Untersuchungen liege die Stadt vorne, aber drei entscheidende Dinge fehlten ihr: Düsseldorf habe keine Markenaussage wie „Tor zur Welt“, kein Markenzeichen wie den Dom und keine Markenbotschafter wie Helmut Schmidt oder Willy Millowitsch. „Das Bild“, so Dopheide, „es bleibt diffus, es gibt keine Gegenbilder, keine Signale, kein Versprechen.“ Solange das so bleibe, fiele das Draufhauen auf Düsseldorf leichter. Dabei gebe es sicherlich genug Fürsprecher: „Man muss ja nur mal die Herren Raúl oder Ballack fragen, warum sie hier wohnen.“

Ein bisschen Künstlichkeit

Dass der Song Contest das Bild einer Stadt zementieren könnte, die von oberflächlichem Glamour lebt, glaubt Dopheide nicht. Düsseldorf müsse sich für ein bisschen Künstlichkeit nicht schämen. „Die Kunst hat eine na­türliche Nähe zur Künstlichkeit, und warum soll eine Stadt sich da­für verteidigen, wenn Menschen sich gerne gut kleiden?“

Der Wettbewerb, den sich Düsseldorf mindestens zehn Millionen kosten lässt, sei eine riesige Chance, er bringe viele junge Menschen in die Stadt. „Und wenn Düsseldorf eine Schwäche hat, dann ist das eine Jugendlichkeit, die kaum erlebbar ist.“ Je mehr Menschen man in die Stadt locke, umso schneller könnte sich das bessern. Denn, davon gibt sich auch Dirk Elbers überzeugt: „Wer dann einmal hier ist, der kommt gerne wieder.“ Auch die Millionärsgattin.