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Literaturnobelpreis-Trägerin Herta Müller findet harsche Worte zur „Kunst der Aufklärung“ in China. Nach der Festnahme des Konzeptkünstlers Ai Weiwei kritisiert sie die deutsche „Anbiederung“ an das Regime.
Die Festnahme des Künstlers Ai Weiwei in Peking wird in der deutschen Kulturszene scharf verurteilt. Gleichzeitig wächst die Kritik am kulturpolitischen Engagement in China – und der soeben eröffneten Schau „Kunst der Aufklärung“.
Sind die Voraussetzungen für eine Politik des Austausches noch gegeben? Literaturnobelpreis-Trägerin Herta Müller zweifelt dies in einem Interview mit dem „Focus“ an. „Mit dieser Festnahme wurden der deutsche Außenminister und seine Delegation regelrecht vorgeführt. Kaum hatten sich die Flugzeugtüren hinter ihnen zum Rückflug geschlossen, wurden die Verhaftungen vorgenommen.“ Herta Müller, die selbst unter einem repressiven System litt, meint: Diktaturen lernen nur durch Druck. Nicht aber durch jene „Anbiederung“, die Deutschland bereits zeigte, als China sich 2009 als Gastland der Frankfurter Buchmesse präsentieren durfte. „Es kommt mir vor, als würde die deutsche Kulturpolitik regelrecht winseln um Anerkennung durch China.“
Ai Weiwei ist seit dem 3. April in Haft. Laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua wird ihm Steuerhinterziehung und Diebstahl geistigen Eigentums vorgeworfen. Nach Einschätzung von Freunden droht ihm eine lange Haft. Der in München lebende Autor Zhou Qing sagte: „Wir müssen damit rechnen, dass es für ihn ähnlich ausgeht wie für Liu Xiaobo.“ Der Friedensnobelpreisträger wurde 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt.
Der deutsche Künstler Günther Uecker, der sich in seinen Werken mehrfach mit Chinas repressiver Politik auseinandersetzte, nannte Ai Weiwei einen „Seismographen der Kulturpolitik in China“. Tatsächlich hat sich laut einem Gutachten der US-Regierung die Menschenrechtssituation in China erheblich verschlechtert. Am Sonntag nahm die Polizei in Peking ein Dutzend Mitglieder einer christlichen Gemeinde bei einem Gottesdienst in der Öffentlichkeit fest. In China dürfen Christen Gottesdienste nur in staatlichen Kirchen abhalten.
Wie ist es um die „Kunst der Aufklärung“ bestellt im Reich der Mitte? Für das Begleitprogramm, das die Stiftung Mercator gemeinsam mit dem National Museum of China zur Ausstellung konzipierte, fürchtet Müller das Schlimmste: „Es wird Staatsprosa vorgetragen werden, Propaganda statt Aufklärung.“ Die Schau sei „Staffage eines schlechten Staatstheaters“. Sie fragt: „Wie weit haben die deutschen Museen gedacht, als sie sich auf diese Ausstellung einließen?“