Köln..

Sängerin Katie Melua verzaubert die Fans in der Kölner Lanxess-Arena. Gebannt hängen alle Blicke an Lippen, die bis zum Schluss nicht lächeln wollen. Wie ein Goldrand legt sich der Hauch von Traurigkeit um den Abend.

Ach, wenn sie doch alle so wären. Wenn sie so aussähen und so sängen und so herrlich wenig Aufwand um die eigene Person machten. Freitagabend in der Lanxess-Arena ist Katie Melua einfach da. Ohne großes Tamtam tritt sie kurz nach 21 Uhr ans Mikro, so unspektakulär wie eine Studentin, die in der Mensa geduldig vor der Essensausgabe angestanden hat, und nun endlich an der Reihe ist. Für 6500 Fans beginnt damit ein Konzert, das sie so schnell nicht vergessen werden.

Denn die 26-jährige Britin mit den georgischen Wurzeln ist gekommen, um zu bleiben. Während Sangeskolleginnen kostbare Zeit mit Kostümwechseln und Umkleideorgien vergeuden, verlässt Melua nur einmal ganz kurz, vor dem Zugabenteil, die Bühne und begnügt sich ansonsten, in Gänze fast zwei Stunden lang, mit ein und demselben Outfit.

Glänzenden Leder-Leggins, die wie eine zweite Haut sitzen und in hochhackigen Stiefeln stecken, darüber eine Träger-Tunika, changierend in Blau und Grün, aus einem glänzenden, chiffonartigen Stoff, die ausgestellt geschnitten ist und in spitze Zipfel mündet. So ähnlich sähe eine neuzeitliche Glockenblumenelfe in einem Poesiealbum aus. Wenn es sie denn gäbe. Brünette Locken umkringeln ein unfassbar ebenmäßiges Gesicht mit unfassbar makellosem Teint. Ernst ist der Blick aus grünbraunen Augen, von dunklem Kajal umrandet und mit Goldpuder auf den Lidern. Statt Lippenstift nur ein bisschen zartrosa Gloss.

Ein Hauch von Traurigkeit

Von diesem Moment an, vom ersten Moment an, schmilzt die Singer/Songwriterin Herzen. Gebannt hängen alle Blicke an diesem unglaublichen Gesicht und an Lippen, die hartnäckig, bis zum Schluss, nicht lächeln wollen. Der Hauch von Traurigkeit legt sich wie ein Goldrand um den Abend. Man könnte Gedichte über diese Frau schreiben.

Mit „The Closest Thing To Crazy“, der ersten Veröffentlichung aus ihrem Debütalbum „Call Off The Search“ erinnert die Elfe mit dem tadellosen „British English“ daran, dass tatsächlich schon acht Jahre vergangen sind, seitdem sie der Komponist und Produzent Mike Batt, groß herausbrachte. Er entdeckte sie beim Vorsingen, für die ersten drei Alben fungierte Batt als Produzent, Arrangeur und Songschreiber. An diesem Abend in Köln sitzt er im Publikum. Auch Stück Nummer zwei, das „The Cure“-Cover „Just Like Heaven“, weist zurück in die Vergangenheit.

Mit dem zweiten Album „Piece By Piece“ (2005) – insbesondere der ersten Single-Auskopplung „Nine Million Bicycles“ – wurde Melua zum Liebling der Massen und Medien, die Vergleiche mit Norah Jones, Vanessa Carlton oder Joss Stone bemühten, um das Unbeschreibliche zu beschreiben. Eine Stimme, so klar wie Kristall und zugleich so warm wie Kerzenlicht, delikat, sinnlich, sensibel.

Nein. Kein Gedicht an dieser Stelle. Nur die Wahrheit. Denn diese Stimme vermag es noch immer, Wunden zu kühlen und Feuer zu entfachen, Menschen hinzureißen, zu entzücken und inwendig zu durchglühen. Darin unterscheiden sich die neuen Stücke von der letzten, Ende Mai 2010 veröffentlichten CD „The House“ nicht von denen der Anfänge. Mit „The Flood“, „Tiny Alien“ und dem grandiosen „I´d Love To Kill You“, dass die Paradoxie des Hassens dessen, den man liebt, in Worte fasst, leitet Melua über in die Gegenwart.

Zerbrechliche Stärke einer Piaf

Eines ihrer Hauptthemen ist und bleibt die Liebe, die sich sehnt und verzehrt und zurückhaben will, was sie verloren hat: „The One I Love Is Gone“. In diesen Balladen, leicht bluesig und jazzig, aber nicht zu sehr, jede Übertreibung vermeidend, aber gerade darum umso intensiver, gestreift von der zerbrechlichen Stärke einer Piaf und berührt von der unterschwelligen Wildheit einer Kitt, liegt ihre besondere Qualität. Viel weniger authentisch wirkt Melua, wenn sie sich bisweilen Exkurse in die End-1960er gönnt. Ihre Version des „Canned Heat“-Hits „Going Up The Country“ wirkt aufgesetzt, so als spielte sie hier eine Rolle, aber eine, in der sie fehl besetzt ist, und bei der zweiten Zugabe „Kozmic Blues“ beweist sie zwar stimmlich, dass sie´s drauf hat, aber es fehlt die nötige Schüppe Dreck.

Glockenblumenelfe und Janis Joplin, das geht nicht zusammen. Viel lieber hört man sich da solche Schmankerl wie das burleske, im jahrmarktsgaukelnden Wechsel von Foxtrott und Walzer geschriebene „A Moment Of Madness“ an, „A Happy Place“, das wie eine frische Brise herüber kommt oder, als letzte Zugabe, das ergreifende „I Cried For You“. Und während der Applaus auf Melua und ihre großartige Band so heftig niederprasselt wie der Regen am Ende eines Sommertags, da kann sie, endlich, lächeln. Nur Mona Lisa lächelt schöner.