Gelsenkirchen.. Ein Debake mit heftigen Buh-Rufen: Gelsenkirchens Musiktheater im Revier verramscht Lortzings Oper „Zar und Zimmmermann“ als Klamotte

Es sei „gut und wichtig gewesen“, hatte Regisseur Roland Schwab vorab gesagt, dass Intendant Mi­chael Schulz ihm Lortzings Ko­mische Oper „Zar und Zimmermann“ aufgezwungen ha­be. Durch die widerwillige Be­schäftigung mit dem Stück ha­be er einen neuen Zugang zum Genre Spieloper gefunden. Und noch etwas hatte Schwab über sein Konzept ge­sagt: Dass nämlich der Zar Peter der Große, der sich im holländischen Saardam über Schiffsbautechniken in­for­miert, als „irritierender Ge­genpol“ zum tumben, selbstgefälligen Bürgermeister van Bett aufgebaut und als Despot voller psychischer und moralischer Defizite gezeigt werden solle.

Tuntenhochzeit
und Geblödel

Zumindest Letzteres ist in der Inszenierung, die bei der Premiere im Großen Haus des Musiktheaters gnadenlos ausgebuht wurde, eingelöst – dank der enormen darstellerischen Fähigkeiten des überragenden Baritons Piotr Prochera, dem als Peter I. die Verwandlung vom gutwilligen, hilfsbereiten Werft­hos­pi­tan­ten zum soziopathischen Herr­scher Peter I. mühelos gelingt. Der auf die mehrfach vom Band zugespielten Brachialtöne aus Alexander Mossolows Komposition „Die Eisengießerei“ (1928) gar nicht angewiesen gewesen wäre, mit denen Schwab den Zuschauer auf die Janusköpfigkeit Peters einstimmen zu müssen glaubt. Wenn Peter, nachdem er von Aufstandsplänen in der Heimat erfahren hat, überlegt „Wie schütze ich das Werk?“, hebt zu allem Überfluss der Chor der Werftarbeiter drohend die Vorschlaghämmer und setzt zum symbolischen Ge­metzel an.

Über solche Holzhammer-Methoden, und über überstarken Fokus auf Peter I. geht der Charme, der Witz, geht die Leichtigkeit von Lortzings Spieloper weitgehend verloren – zumal es dann, wenn es lustig gemeint ist, bei Schwab meist nur schrecklich albern und klamottig zugeht. Die ei­nen kommen daher wie Dorfdeppen oder verströmen naiven Schulmädchensex, die an­deren staksen blödelig durch die Szene. Und Witwe Browe (Almuth Herbst) schiebt einen Atombusen vor sich her, und natürlich müssen diese Glocken bei passender Gelegenheit geläutet werden…

Zwischen all den zusammenhaltlosen Gags, zwischen Tuntenhochzeit und Spion & Spion à la „Mad“ steht selbst Joachim G. Maaß als eitler Bürgermeister van Bett auf verlorenen Posten. Maaß, in „Anatevka“ aktuell einer der eindrucksvollsten Tevjes seit langen, bleibt auch stimmlich be­fremd­lich blass. Auch die Ne­ue Philharmonie Westfalen unter Leitung von Heiko Mathias Förster trägt nicht sonderlich viel an Esprit bei. Rundum überzeugen kann eigentlich nur, neben Prochera, Murphy und Kamalova, der von Christian Jeub betreute Chor.