Essen. Lauter Romane, die von Auf- und Ausbrüchen erzählen – Geschichten vom Blühen, vom Sprießen und Prickeln

. Wir stellen Ihnen Romane vor, die von Anfängen, von Auf- und Ausbrüchen erzählen – romantische und erotische Geschichten vom Blühen, vom Sprießen und Prickeln.

Dichter besingen vom Eise befreite blaue Bänder; Prosaschreiber hingegen machen sogar aus dem Frühlingserwachen noch gern Tragödien. Und doch: Wir fanden für Sie Romane, die beim Aufschlagen nach frischem Gras duften, die von Anfängen handeln – und der ganz großen Leidenschaft.

Wild schlagende Herzen un­ter Spitzenblusen: Wer es ro­man­tisch mag, liegt mit den Klassikern von Jane Austen und E.M. Forster genau richtig im gut gepflegten britischen Gras. Von eher unbedeckten Herzen erzählt Landsmann David Nicholls: „Zwei an einem Tag“ (Kein & Aber, 2009): Nach ihrer Uni-Abschlussfeier am 15. Juli 1988 verbringen Emma und Dexter eine gemeinsame Nacht – um sich am Morgen peinlich be­rührt zu trennen. Doch nicht für im­mer! An jedem 15. Juli der folgenden Jahre begegnen wir „Em“ und „Dex“ wieder: in ei­nem so warmherzigen wie witzigen Wunderwerk.

Der Schweizer Alex Capus wurde just für die Lovestory „Le­on und Louise“ ge­feiert; sein Roman „Fast ein bisschen Frühling“ (Residenz 2002) erzählt ebenfalls eine wah­­re Liebesgeschichte: Zwei junge Wuppertaler wollen 1933 aus Nazi-Deutschland flie­hen und überfallen eine Bank, statt bis Indien aber schaffen sie es nur bis Basel. Dort sorgt eine Schallplattenverkäuferin dafür, dass sie all ihr Geld in Musik investieren.

Fast zeitgleich warten ir­gend­wo in Indien vier ältere Herren auf einen Zug – und er­innern sich beim Anblick eines jungen Pärchens an ihre erste Liebe: Vier traumschöne Erste Male schenkt uns Buddhadeva Bose in seinem vor 60 Jahren geschriebenen, erst kürz­lich übersetzten Roman „Das Mädchen meines Herzens“ (Ullstein 2010).

Auf der ersten Seite wartet der Geruch von „frischgeschnittenem Gras“, auf den folgenden freie Haut zu wilden Gedanken: Bevor Julia Franck den Deutschen Buchpreis erhielt, wagte sie eine „Bauchlandung“, Untertitel: „Geschichten zum An­fassen“. Gekonnt entblättert sie ihre Figuren – leicht und spielerisch .

Erinnert sich noch jemand an den Film „Intimacy“? Hanif Kureishi lieferte mit „Rastlose Nähe“ (Kindler 1999) die Vorlage. Ein Mann verlässt in einer Frühlingsnacht seine Familie. Weil er wahre, leidenschaftliche Liebe sucht: „Es gibt nichts Faszinierenderes als die Liebe. Leider.“

Der Preis der Leidenschaft, Teil 2: Die britische Autorin Deborah Kay Davies leuchtet eine verhängnisvolle Affäre aus – und die Blessuren, die der Ex-Häftling bei der einst anständigen Dame hinterlässt. Davies’ pointierter Stil verhindert, dass „Bedingungslos“ (Kein & Aber 2011) abrutscht ins Klischee.

Wie alles keimt und sprießt, das ist ein Wunder! Wenn aber noch Wildmanndli und Wetterhex tanzen, staunen wir wirk­lich: Wie Tim Krohn seiner Wahlheimat Schweiz derart aufs schwiizertüütsche Maul schaut: „Quatemberkinder“ (Eichborn 2000) ist die Renaissance des Heimatromans. Gopfertoori!

Der Apfelbaum blüht zweimal, die roten Johannisbeeren werden über Nacht weiß: Katharina Hagena erfindet in „Der Geschmack von Apfelkernen“ (Kiepenheuer & Witsch 2009) eine Natur, die Seelenzustände und Familiengeheimnisse spiegelt.

Den kraftvollsten Aufbruch unternahm Jack Kerouac im Frühling 1951: „On the road“ liegt seit kurzem beim Ro­wohlt-Verlag in der Übersetzung der „Urfassung“ vor.

Ebenfalls historisch: „Die Geschichte der Belagerung der Stadt Lissabon“ (Rowohlt 1992) von Nobelpreisträger José Saramago. Ein Korrektor ändert ein einziges Wort – und schon haben die Spanier die Mauren nicht vertrieben! Ein wunderbares Spiel mit der Sprache vereint Saramago mit einer zarten, tastenden Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die ihren ersten Frühling bereits hinter sich haben.

Die unmögliche Liebe zwischen einer Christin und ei­nem Moslem während der Rus­sischen Revolution in Aser­baidschan – die Story von „Ali und Nino“ (Ullstein 2000) erdachten eine Baronin und ein zum Islam übergetretener Jude unter dem Pseudonym Kurban Said. Was diesen Liebesroman von 1937 staunenswert macht, ist die Erzählstimme: Mit Ali betritt ein witziger, selbstironischer Moslem die Bücher-Bühne. Großartig!