Bochum. . Erst ist fast 84 Jahre alt. Aber Dieter Hildebrandt, der große alte Mann des deutschen Kabaretts, lässt noch keine Ermüdungserscheinungen erkennen. In Bochum zeigte er sich jetzt vor ausverkauftem Schauspielhaus in Hochform.

Der einzelne Mann auf der großen Bühne des Bochumer Schauspielhauses rümpft die Nase. Es rieche schlecht, stellt er fest, denn hier verwese offensichtlich das Kabarett, das schon seit Jahrzehnten immer wieder für tot erklärt werde. „Die Leiche hätte sich längst erledigt“, sagt er vorwurfsvoll in Richtung Publikum, „wenn Sie nicht immer wieder zur Beerdigung kommen würden!“

Am Mittwochabend sind 800 Zuschauer ins ausverkaufte Haus gekommen, um wieder einmal Dieter Hildebrandt bei seinem Spaziergang durch die Fettnäpfchen der Republik zu erleben. Seit er nicht mehr regelmäßiger TV-Gast ist, hat sich da offenbar eine Sehnsucht aufgebaut. Hildebrandt ist inzwischen fast 84 Jahre alt, aber Kabarett hält jung. Den Stock braucht er lediglich als Requisit für den „Rentner Rap“ am Ende seines Programms mit dem Titel „Ich kann doch auch nichts dafür“.

Perfekt ausgebremste Pointen

Aber was heißt schon Programm bei einem, den die Spottlust nie verlassen hat. Es brennt noch immer in ihm, die erste halbe Stunde ist sicher frisch komponiert, eine fast atemlos schnell improvisierte Suada mit perfekt ausgebremsten Pointen über all das Törichte, das Hildebrandt auch in Hotelzimmern via Fernsehen noch heimsucht.

Atompolitik: Da sieht er in drei Monaten schon die Leserbriefe in der „Bild“, in denen ein Zurück zur Kernenergie gefordert wird. „Krebs gibt’s überall. Aber was ist, wenn das Licht ausgeht?“ Gaddafi: Wir machen nur deshalb nicht mit, weil Gutti die Pläne für eine neue Bundeswehr mitgenommen und keiner sie vorher abgeschrieben hat.

Er kocht sich was

Bei Hildebrandt könnten sich junge Stand-Up-Comedians noch eine Scheibe abschneiden, auch wenn’s persönlich wird. Annette Schavan? „Ich kann diese Frau nicht ausstehen. Hätte ich die in Deutsch gehabt, ich wäre Naturwissenschaftler geworden.“ Kachelmann? „Hat der nun die Schwarzer vergewaltigt oder war es umgekehrt?“

Eine reiche Zeit für gestandene Kabarettisten. Aber wer immer nur Merkel serviert bekommt, erinnert sich an bessere Zeiten. Wenn früher Brandt, Wehner oder Geißler ans Rednerpult getreten seien, erzählt Hildebrandt, dann habe er oft sein Essen stehen lassen. „Wenn heute einer redet, koche ich mir was.“