Essen. . Schauspieler August Zirner frönt auf der Querflöte seiner spät entdeckten Liebe zuThelonious Monk und Charles Mingus. Unterstützt wird er dabei von einer Kombo aus dem Ruhrgebiet, nämlich vom Spardosen-Terzett.

Als Schauspieler kennt man August Zirner. Doch dass er auch noch auf der Querflöte jazzt, dürfte vielen neu sein. Nun hat er gemeinsam mit dem Spardosen-Terzett das Album „Diagnose: Jazz“ aufgenommen, auf dem sie unter anderem Thelonious Monk und Charles Mingus huldigen. Jürgen Overkott wollte mehr über Zirners musikalische Prägung wissen.

Herr Zirner, mit welcher Stimmlage erzählt Ihre Flöte?

August Zirner: Gute Frage (lacht). Bass-Bariton, obwohl sie eigentlich in Sopran-Lage ist – was ein Widerspruch in sich ist, aber genauso ist es.

Sie gehen mit Ihrem Instrument in den Keller . . .

. . . was die Tonlage angeht, ja. Das hat etwas mit den Kopfstücken zu tun. Die hohen Tonlagen waren mir zu brillant, zu laut, zu „brassig“. Mein Flötenvertreter gab mir Flöten zum Ausprobieren und ich habe mich für eine entschieden mit Gold-Kamin und das Kopfstück passt zum Timbre meiner Stimme.

Sehen Sie sich als Bauch-Mensch?

Nein. Es gibt Leute, die vermuten, ich sei ein Intellektueller – ich seh mich nicht so. Ich kann mich schlecht einreihen, ich bin irgendwo zwischen Kopf und Bauch.

Sie sind in einem Musiker-Haushalt aufgewachsen. Wann haben Sie Ihre Liebe zum Jazz entdeckt?

Ich wollte Rock-Star werden, ich wollte eine hellblaue Stratocaster. Die bekam ich nicht. Stattdessen bekam ich eine klassische Yamaha und musste Unterricht nehmen. Irgendwann hat mir jemand eine Platte von Jethro Tull in die Hand gedrückt und gesagt, Du kannst auf der Querflöte denselben Rock-Effekt haben wie auf Gitarre. Dann habe ich angefangen, Tull zu spielen.

Das ist aber Rock . . .

. . . und dann starb mein Vater, als ich 14 war. Meine Mutter war der Ansicht, ich sollte auch Musiktheorie lernen. Ich bekam einen Lehrer namens Jim McNeely. Er hat später mit allen Großen gespielt, zum Beispiel mit Chet Baker. Jim war damals 21. Er sagte mir: Lass das mal mit Tull, Traffic und Santana. Du musst erst die Grundlagen dieser Musik verstehen. Er hat meiner Mutter nahe gelegt, mir drei Platten zu kaufen: eine von Charles Mingus, eine von Thelonious Monk und eine von Roland Kirk.

Und das fanden Sie gut?

Ich mochte das zuerst gar nicht. Aber ich war ein braver Schüler und habe mir das alles angehört. Gut, es gab ein paar Stellen, bei Mingus zum Beispiel oder Roland Kirk, die ich fetzig fand. Bei Monk war ich immer irritiert und habe mir die Frage gestellt: Warum soll das schön sein? Erst vor fünf Jahren, als ich dabei war, etwas zusammenzustellen mit Texten und Musik, habe ich Monk wiederentdeckt.

Und wie?

Ich habe festgestellt, dass das, was ich als Jugendlicher nicht mochte, toll war, ganz irre. Der Jazz hatte sich nicht nur ins Hirn, sondern in die Seele gebrannt. Ich habe auch Chet Baker wiederentdeckt.

Aber der ist doch gefällig . . .

. . . eben drum. Ich mochte das Langsame nicht. Selbst Frank Sinatra mochte ich nicht. Er war für mich reaktionär. Ich habe ihn jetzt durch Robbie Williams wiederentdeckt und habe mir gesagt: Hey, die Sachen sind gar nicht so schlecht, ich muss mal meine Gesinnungsbrille ablegen. Aber das ist ja das Wesen des Jazz: Vorurteile überwinden. Jazz-Stücke öffnen Deinen Geist, Deine Ohren.

Wie hat sich Ihr Verhältnis zur Klassik verändert?

Ich habe das Gehör für Klassik etwas verloren, vielleicht aus Trotz. Es ist schwer, die Brücke aufrecht zu erhalten zwischen Klassik und Jazz.

Tatsächlich? Bach ist eine schöne Brücke.

Sicher. Aber ich habe mich bei ihm satt gehört. Als Brücke zum Jazz finde ich Liszt spannender.

Sie sind mit Ihrem Programm „Diagnose: Jazz“ unterwegs. Bleibt es bei einem Ausflug in die Musik?

Nein, wir sind dabei, ein zweites Programm zu entwickeln. Wissen Sie: Je mehr man sich mit etwas beschäftigt, desto mehr entdeckt man.

Sie haben die Tür zum Raum aufgestoßen . . .

Ich bin schon mitten drin und entdecke neue Türen (lacht). Keine Ahnung, vielleicht bin ich irgendwann auch wieder raus. Wer weiß?

  • August Zirner und das Spardosen-Terzett: „Diagnose Jazz“ (Edel). Live: 15.6., Düsseldorf, Zakk