Essen. . Er galt lange als Hoffnung für den Startenor des 21. Jahrhunderts. Ein aktuelles Konzert in Essen erlaubt Zweifel am Potenzial von Rolando Villazon.

Der gefürchtete Drahtseilakt eines Klassik-Veranstalters? Mit einem reinen Liedprogramm ein großes Haus zu füllen, den dafür geeigneten Star aufzutreiben und dem Publikum dann noch das an Qualität zu bieten, was die leicht angestaubte Bezeichnung „Liederabend“ auch heute noch suggeriert.

Bei den Pro Arte Konzerten in der Essener Philharmonie setzte man da auf Rolando Villazon als erklärtem Publikumsliebling. Und wenn bei Preisen zwischen 88 und 144 Euro nur die rückwärtigen Sitze auf dem Chorbalkon im 1900-Plätze-Saal frei blieben, dürfte sich zumindest für den Veranstalter ökonomisch die Frage nach Netz und doppeltem Boden erübrigt haben.

So wartete man gespannt auf den romantisch gelockten Mexikaner, dessen einst so viel versprechende Karriere - ob nun mit oder ohne Netrebko an seiner Seite - durch weiter latente Stimmprobleme einen Dämpfer erhalten hatte. Die Hinwendung zum Kunstlied nach überstandenen Operationen erscheint jedenfalls nicht als ernsthafter Ausweg.

Das zeigte sich jetzt beim Griff nach Robert Schumanns wohl bekanntestem Zyklus „Dichterliebe“. Sicher, Villazon verzichtete auf den Notenband, der im Sommer im Salzburger Festspielhaus noch sein ständiger Begleiter war. Die Textverständlichkeit dieser oft todtraurigen Heine-Gedichte ließ auch kaum Wünsche offen. Aber zwischen offenkundiger Wertschätzung dieses innigen Zyklus und gestalterischem Zugriff auf diese musikalischen Miniaturen liegen leider Welten. Vom renommierten Gerold Huber am Klavier eher vornehm zurückhaltend begleitet, drängte Villazon seine oft ungenau intonierte Stimme nach vorn. Man hörte ein kaum mehr vorhandenes Tiefenfundament, Eintrübungen und oft penetrant gedehnte Vokale in einer ohnehin in Puncto Tempo und rhythmischer Finesse fragwürdigen Gestaltung, die penetrant durch sinnwidrigen Zwischenapplaus gänzlich aus der Bahn geworfen wurde. Des Tenors Gesten zur Zurückhaltung wurden heftig ignoriert.

Später verlieh Villazon den Liedern Duparcs, Faurés oder Massenets statt impressionistischer Feinzeichnung einen opernhaften Anstrich mit ewig gehaltenen „Top-Tönen“. Als dann noch Tostis „Ideale“ als Schmacht-Zugabe erklingt, gab es dennoch für viele Jubler keine Halten mehr.