Bonn. .
Die für Juni geplante Retrospektive von Rosemarie Trockel in der Bonner Bundeskunsthalle fällt aus. Terminprobleme sollen der Grund sein, nicht der Bund, der für zeitgenössische Kunst angeblich kein Geld mehr ausgeben will. Derzeit geht es am Rhein ohnehin klassisch zu - mit Meisterwerken der Kunsthalle Bielefeld.
Auf große Distanz geht es Kulturpartnern bisweilen nicht anders als Liebespaaren: Das Interesse aneinander kann auf die Dauer verloren gehen. Zwischen Bonn und Berlin, zwischen der alten und der neuen Bundeshauptstadt liegt einiges an Entfernung. Und die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, die nun mal in den Bonner Rheinauen steht, weil der erste Spatenstich noch getan wurde, bevor – kurz darauf – die Mauer fiel, liegt für manchen Berliner Bundeskulturpolitiker weit außerhalb des Radars. So wird eine Vorabmeldung des Kunst-Magazins Monopol für viele recht plausibel geklungen haben. „Bund fährt die Förderung von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst herunter“ war da zu lesen. Erstes Opfer dieser Einsparungen sollte Rosemarie Trockel sein, eine der wenigen weiblichen Weltstars im zeitgenössischen Kunstgeschäft. Neben Sparmaßnahmen des Bundes wurden als Grund vor allem die schlechten Besucherzahlen bei Ausstellungen zeitgenössischer Kunst ins Feld geführt.
Das Dementi kam auf Nachfrage. Von Mittelkürzungen könne nicht die Rede sein, der Bund stehe mit jährlich 15,3 Millionen Euro weiter im Wort, heißt es in Bonn. Zudem gebe es gar kein programmatisches Einspruchsrecht auf Seiten des Bundes. Über die Ausstellungsplanung hätten Intendant Robert Fleck und der Programmrat zu entscheiden.
Ein neuer Termin für Rosemarie Trockel
Gemeinsam arbeitet man gerade am Ausstellungsprogramm für die Jahre 2012 bis 2014. Einen neuen Termin für Rosemarie Trockel wird man ebenfalls finden müssen, denn die für Juni geplante Retrospektive fällt tatsächlich aus. Allerdings nicht wegen Mittelkürzung, sondern aus terminlichen Gründen, versichert Pressechef Sven Bergmann.
Nun geht es der Bonner Bundeskunsthalle nicht anders als anderen Ausstellungshäusern: Zeitgenössische Kunst hat es schwer gegenüber den großen kulturhistorischen Ausstellungen. Jüngster und drastischer Beweis: Den Bildhauer Thomas Schütte, Documenta-Künstler und Gewinner des Goldenen Löwen der Biennale von Venedig, wollten in Bonn im vergangenen Herbst gerade 15 000 Besucher sehen.
Das sind ernüchternde Zahlen im Vergleich zu den 100 000 Gästen, die Afghanistans „gerettete Schätze“ sehen wollten oder den 120 000 Besuchern, die die Pracht des alten Byzanz anlockte. Derlei Ausstellungen mit opulenten Gold- und Geschichtsanteilen ziehen auch Busgruppen, was bei zeitgenössischen Künstlern eher die Ausnahme ist. Aber könnte sich ein Ausstellungsort noch Bundeskunsthalle nennen, wenn hier nur noch Kulturgeschichtliches zu sehen wäre? Man werde in Zukunft versuchen, beides miteinander zu flankieren, sagt Bergmann – Zeitgenössisches und Kulturhistorisches.
Gespannt sein darf man da auf das Ergebnis einer Bundeskunsthallen-Schau, die derzeit mit ungewohnt Naheliegendem lockt: den Meisterwerken der Bielefelder Kunsthalle. „Die unbekannte Sammlung“ nennt man sie in Bonn, was ein wenig erklärt, warum man 120 Kunstschätze eines zwei Zugstunden entfernten Museums an den Rhein holt, wo bislang vor allem Häuser wie die Petersburger Eremitage oder das New Yorker Guggenheim mit ihren Sammlungen gastierten.
Die Klassiker von Kirchner bis Munch einmal an anderem Ort zu zeigen, hat durchaus Sinn. Denn das von Philip Johnson entworfene Bielefelder Haus ist durch Wechselausstellungen inzwischen so stark belegt, dass viele Schätze im Depot bleiben müssen.
Oetkers Stiftung
So umfassend wie in Bonn hat man sie deshalb schon lange nicht mehr gesehen, die Meisterwerke der Klassischen Moderne mit Arbeiten von Arp bis Delaunay , die frühe Gafikfolge „Saltimbanques“ von Picasso, dem Bielefeld in den 1980ern bedeutende internationale Ausstellungen widmete. Vorbei an Frank Stellas raumgreifenden „Shaped Canvas“ und Kirchners „Russischer Tänzerin“, einer frühen Dauerleihgabe von Museumsstifter Rudolf-August Oetker, entdeckt man auch Museumsgeschichte. Bewundert die Stärken der Sammlung, den deutschen Expressionismus mit Schmidt-Rottluffs blühend-glühenden „Georginen in der Vase“ und Noldes farbdampfendem „Tropenwald“. Und sieht, wie Lücken dank der Stifter- und Sponsorenmittel mit starken Einzelpositionen geschlossen wurden: Moore und Meese, Gerhard Richter und Andy Warhol, Diane Arbus und Yoko Ono sind vertreten, auch Thomas Schüttes „Gelber Hund“ ist wieder da. Mancher Zeitgenosse hat in Bonn eben doch Klassiker-Qualitäten.