Neuss. Die Watermill Propeller Company spielte am 25.06 „A Midsummer Night’s Dream“ und am 26.07 „The Merchant of Venice“ beim 19. Shakespeare Festival im Globe Neuss.

Der Sommernachtstraum ist wohl das jenige Stück Shakespeares, das auch denen ein Begriff ist, die sonst nichts mit Theater oder Shakespeare am Hut haben. Freilich Hamlet und Macbeth teilen ebenfalls das Schicksal, dass sie gleichsam zeichenhaft oft für etwas einstehen müssen: Hamlet für den gequälten jungen Mann in der Sinnkrise; Macbeth für Verrat, Machtstreben und irgendwie auch für Hexen, die sich dann noch mal treffen wollen.

Beim Sommernachtstraum ist es jedoch so, dass das Stück eher gleichbedeutend für das Werk des englischen Dichters steht, als für eine bestimmte menschliche Eigenschaft und die eindeutige Zuweisung eher dunkel bleibt – sieht man mal davon ab, dass es „irgendwie“ um die Liebe geht. Das mag an der gekonnten Verschachtelung der unterschiedlichen Ebenen des Schauspiels liegen. Hier sind – je nach eigenem Erfahrungen und Ansichten zum Liebespiel – ganz unterschiedliche Zugänge möglich.

Ein Hin und Her

Der Watermill Propeller Company aus Newbury gelang – no pun intended – spielend, diese Ebenen auf der Bühne im Globe Neuss zu öffnen. Da ist zum einen das fiktive Athen des Stückes: Der Herzog Theseus soll bekanntlich vier Tage vor der eigenen Hochzeit einen Rechtstreit beilegen: Egeus will seine Tochter Hermia mit dem jungen Demetrius vermählen, der sich unsterblich in Hermia verliebt wähnt; diese liebt aber Lysander; Hermia teilt Unklugerweise ihren Kummer der besten Freundin Helena mit; die wiederum ist unsterblich in den von Hermia abgewiesen Demetrius verschossen. Das Gesetzt von Athen verlangt, dass der Ungehorsam der Hermia bestraft wird – die Tochter des Egeus darf dann wählen zwischen Kloster und Tod – und die jungen Leute fliehen vor dem Gesetz in den Wald. Die erste Ebene besteht somit aus gut-betuchten jungen und alten Athenern, an deren Spitze der Herzog Theseus eine Entscheidung treffen muss.

Unsterblich

Unsterblich sind selbstverständlich nur Götter und Geister. Und so führt uns die Watermill Propeller Company nahtlos in die Welt des Feenkönigs Oberon und dessen Frau Titania. Die spielerischen Übergänge sind dabei so traumhaft schön gestaltet, dass die Vorstellungskraft des Zuschauers sanft von einer Ebene zu anderen gleitet. Doch leider sind die Unsterblichen nicht unsterblich verliebt, sondern verkracht und Oberon entscheidet mit der Hilfe des Kobolds Puck, seiner Frau einen Denkzettel zu verpassen.

Eine dritte Ebene eröffnet sich mit dem Erscheinen einfacher Handwerker im Wald, die zu Ehren des Hochzeitstages von Theseus und Hippolita ihre Version der tragischen Liebesgeschichte von Pyramus und Thisbe aufführen wollen. Puck tut bekanntlich sein Bestes mehr Verwirrung als beabsichtigt zu stiften. Die Liebe wird zu einem einzigen Hin und Her. Demetrius und Lysander lieben (unsterblich natürlich) Helena, Titania den Handwerker Bottom in der Gestalt eines Esels und von Hermia will keiner mehr was wissen.

Auf der ersten Ebene ist die Liebe somit für die älteren Bürger Athens Rechtsprechung und Unterwerfung der Frau; für die jungen Leute eine Sache, die eigentlich nicht an eine bestimmte Peson gebunden ist; auf der zweiten und überirdischen Ebene ist sie abgeklärter Ehekrieg und auf der dritten kein schicksalhaftes Drama sondern eine Komödie gespielt von Handwerkern. Der Watermill Propeller Company gelang es auf eindrucksvolle Weise, diese drei Ebenen auf der Bühne des Globe zu verknüpfen.

Jailhouse Rock

Watermill Propeller Production - The Merchant of Venice. © Nobby Clark
Watermill Propeller Production - The Merchant of Venice. © Nobby Clark

Das die Watermill Propeller Company sich bestens und vielseitig auf die Umsetzung Shakespeares versteht, bewies das Ensemble darauf einmal mehr bei ihrer Adaption des Kaufmanns von Venedig. Edward Hall siedelt das Stück in einem Gefängnis an und das Bühnenbild von Michael Pavelka erinnert stark an das Musikvideo zu Elvis Presleys Jailhouse Rock. Damit wird gleich zweierlei erreicht: Zum einen ist das Gefängnis immer ein Mikrokosmos, in dem durch die räumlich Begrenzung die Emotionen der Insassen stark gereizt sind; zum anderen kann – genau wie beim Sommernachtstraum –die Watermill Propeller Company ihr musikalische Potential so voll ausschöpfen. Es ist einfach beeindruckend, wie sehr die Schauspieler des Ensembles in beiden Künsten zu Hause sind. War die Musik beim Sommernachtstraum leicht und träumerisch, ist sie beim Kaufmanns von Venedig stark rhythmisch akzentuiert und aggressiv. Im wahrsten Sinne des Wortes: Es rockt. Und das live auf der Bühne.

Da das Stück aufgrund der zwiespältigen Figur des Shylock so viele unterschiedliche Deutungen erfahren hat – Shylock als teuflischer Jude, betrogener Bürger oder tragische Figur – kommt ihm hier eine Ausdruckskraft hinzu, mit der der Schwerpunkt sehr deutlich auf die beiden großen Themen Recht und Vergebung gesetzt wird.

Dass die Watermill Propeller Company so flexibel mit dem elisabethanischen Stoff umzugehen weiß beeindruckte das Publikum in Neuss, das in beiden Fällen mit stehenden Ovationen dankte und dem Ensemble so zum zehnjährigen Bühnenjubiläum gratulierte.