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Kunst und Liebe, Armut und Tod im 17. Jahrhundert: Die niederländische Großerzählerin Margriet de Moor macht Rembrandt zur Romanfigur. „Der Maler und das Mädchen“ beschwört Lichtgefühl und Seelenschatten der historischen Figuren.

Eine der anmutigsten Liaisons zwischen Malerei und Literatur hat Tracy Chevalier mit ihrem „Mädchen mit dem Perlenohrring“ eingefädelt. Die Ge­schich­te des Ma­lers Jan Vermeer und der hübschen Hausmagd Griet be­rührte Millionen, zumal nach der kongenialen Verfilmung mit Colin Firth und Scarlett Johansson.

Nun hat sich auch die Niederländerin Margriet de Moor ins 17. Jahrhundert begeben, ihr neuer Roman „Der Maler und das Mädchen“ führt tief hinein in eine Welt voller dunkel gebeizter Wände und düsterer Leichenschau. Bei ihr aber gibt es kein verlegenes Blicketauschen zwischen Mei­s­ter und Magd, keinen fiebrigen Farbenflirt.

Unterm Galgen

Margriet de Moor schildert zwei völlig getrennt verlaufende Lebensläufe, die erst am Ende zusammenkommen. Sie erzählt von Elsje, dem armen Waisenkind, das nach langer Odyssee durchs Treibeis und erfolgloser Arbeitssuche in Amsterdam verzweifelt und mittellos ihre Zimmerwirtin erschlägt und auf dem Galgenfeld landet. Und sie erzählt von Rembrandt, dem Meister der Licht- und Schattenmalerei, der den Höhepunkt seines Ruhms schon überschritten und seinen frühen Reichtum eingebüßt hat, bis zum Konkurs. Sein Name wird im Buch allerdings niemals ge­nannt, er bleibt „der Kunstmaler“, die Handlung Fiktion.

Rembrandt als Frauenfreund zu zeigen – dafür hätte man sich auch an die Realität halten können. Der Müllerssohn aus Leiden war vertraut mit dem Leiden an der Liebe. Seine Frau Saskia, die er oft in großer Pose porträtierte, verlor er an die Pest; die junge Haus­hälterin, die später seine Geliebte wurde, musste sich gar der Hurerei bezichtigen lassen. Aber Margriet de Moor will etwas anderes als eine historische Liebesgeschichte. Sie taucht den Stift­ tief in die Palette des 17. Jahrhunderts und lautmalt in den schönsten Tönen: in Beinschwarz, in Karmesinrot und Kasseler Braun.

Eine Welt aus Hell und Dunkel

So entsteht ein dichtes, suggestives Zeit- und Menschenporträt, das sich dem Licht in der Malerei so intensiv widmet wie den Seelenschatten der jungen Elsje. Dem armen Ding, das am Ende noch zu trauriger Prominenz gelangt, in jener Rembrandt-Zeichnung „Frau, an einem Galgen hängend“ aus dem Jahre 1664, die heute im New Yorker Me­tro­politan Mu­seum hängt.

So schlägt Margriet de Moor nicht nur die Brücke zwischen zwei sich nie be­geg­nen­den Romanfiguren, sondern auch zwischen dem Historien- und Künstlerroman, zwischen einer Welt aus Hell und Dunkel, deren Faszination bis heute nicht nur im Museum wirkt.