Essen. . Lange hat sie sich gesträubt, Schriftstellerin zu werden. Aber jetzt legt Katharina Born, Tochter des berühmten Vaters Nicolas Born, mit „Schlechte Gesellschaft“ihren Debütroman vor. Angeblich gärte er schon viele Jahre in ihr.

Ein Schriftsteller-Gen gibt es nicht. Falls doch, wird es so gut wie nie auf die nächste Generation vererbt. Kinder berühmter Autoren tun allemal gut daran, Chemiker oder Rechtsanwältin zu werden. Fälle wie der von Klaus Mann, der sein Lebtag aus dem Schatten seines Vaters Thomas nicht herauskam, sind Biografie gewordene Warnungen: Wer das Gleiche tut, kann sich dem Vergleich nicht mehr entziehen. Und das Verletzungsrisiko nimmt Ausmaße an, die sonst nur im Boxring erreicht werden.

So hat sich Katharina Born (37) lange dagegen gesträubt, Schriftstellerin zu werden. Ihr Vater Nicolas Born, den 1979 der Lungenkrebs dahinraffte, als sie gerade mal sechs war, ist schließlich ein großer Autor. Einer der wenigen, die das Ruhrgebiet hervorgebracht hat. Deshalb umkreiste Ka­tharina Born die Literatur zunächst nur. Sie stürzte sich als Studentin auf Geschichte, auf Journalismus und Literaturwissenschaft. Sie erforschte den Buchmarkt, sie arbeitete fürs Radio, für Zeitungen und Zeitschriften, als Kritikerin, als Übersetzerin, als Lektorin.

Dann gab sie in zwei dicken Bänden die Gedichte (2004) und die Briefe (2007) ihres Vaters heraus. Und war der Schriftstellerei einen großen Schritt näher gekommen.

Aus Ungleichheit wird Gewalt, wird Täuschung, Erpressung, Rachsucht

Als sie dann vor drei Jahren in Hagen für die beiden Born-Bücher den Literaturpreis Ruhr bekam, war sie schon auf dem nächsten Sprung. Da gärte ein Roman in ihr. „Schlechte Gesellschaft“, so der bezeichnende Titel für diesen Familienroman, ein erzählerisches Spinnennetz rund um den früh gestorbenen Dichter Peter Vahlen, in dem sich nicht nur seine Frau und sein Schriftsteller-Freund Peter Gellmann verfangen haben, sondern auch seine Tochter und ein Doktorand aus Duisburg, der sich mehr und mehr für Peter Vahlens dunklen Nachlass interessiert.

Der Doktorand wird zum Detektiv. Wer ihm über die Schulter blickt, entdeckt eine finstere Saga, die sich zu großen Teilen im finsteren Sehlscheid abspielt, einem Dorf im Westerwald, das sich vom Wilhelminischen Kaiserreich bis in die Gegenwart an einer Kette des Bösen entlangzuhangeln scheint. Es geht so gut wie nie gut aus – ob Industrielle nun eine schöne Arme vom Dorf heiraten, ob Waisenkinder aus der Stadt aufgenommen werden oder ob sich ein Dichter wie Peter Vahlen mit seiner Geliebten Hella in sein Heimatdorf zurückzieht. Herzensneigungen beschwören Unglück und Inzest herauf, Seitensprünge und Vergewaltigungen. So verdschungeln Stammbäume zu einem schier undurchdringlichen Dickicht.

Aus Ungleichheit wird Gewalt, wird Täuschung, Erpressung, Rachsucht, bis hin zu den ‘68ern, deren große Lautsprecher und Casanovas Peter Vahlen und Gellmann sind. Selbst die Amour fou zwischen Vahlens Tochter Judith und dem Doktoranden Jahrzehnte später mündet in Misstrauen und Menschenschach. Und obwohl beinahe jede der Geschichten am Ende die schlechtestmögliche Wendung nimmt, wahrt Katharina Borns Erzählen den Anspruch, dass eigentlich alles ganz anders zu sein hätte. Dass es Gründe genug gäbe für Glück – wenn nur nicht immer die verfluchte Wirklichkeit dazwischenkäme.

Einzelne Sätze haben Ärmelschoner übergestreift

Kleine Schönheitsfehler hat dieser Roman, der auf drei ständig wechselnden Zeitschienen erzählt ist, allerdings auch. Jede Überschrift eines Kapitels nennt buchhalterisch die Zeit, in der es spielt. Die falsche Sorge, das Geschehen wäre nicht anschaulich genug geschildert, mündet in betreutes Lesen – ausgerechnet bei diesem dichten Roman, der stets genau weiß, wann genug erzählt ist.

Auch einzelne seiner Sätze haben Ärmelschoner übergestreift. Aber so verstaubt und blass ist Borns wohltuend ungespreizte Prosa gottlob selten. Borns deutlicher Vorsatz, die Universitäts-Germanistik bloßzustellen, verleitet sie leider zu einer platten Professoren-Karikatur.

Bei allen Parallelen zwischen Peter Vahlen und Nicolas Born – „Schlechte Gesellschaft“ ist kein Schlüsselroman, dessen Reiz allein im Entschlüsseln bestünde. Katharina Born hat jedoch viele Erfahrungen ihres Lebens als Philologin und Dichtertochter verwendet, bis zur Verausgabung. Schon deshalb darf man nach diesem starken Debüt doppelt gespannt sein auf den zweiten Roman. In Arbeit ist er schon.