Essen. . Ein Gesellschaftsporträt, ein Familienbild auf dem Lande und der Roman einer österreichischen Orientalistin.

Wer sich literarisch ein Bild von der modernen ägyptischen Gesellschaft machen will, greift am besten zu Alaa Al-Aswanis Roman „Der Jakubiân-Bau“ (Lenos Verlag, Tb., 370 S., 9,95 €) – in der arabischen Welt ein Bestseller und als teuerste ägyptische Produktion auch verfilmt.

Al-Aswani lässt ein Panoptikum von Symbolfiguren auftreten: Den Türsteher des Jakubiân-Baus, der die alltägliche Gewalt im Lande verkörpert, und seinen Sohn, der trotz guter Noten keine Polizeikarriere einschlagen darf, weshalb er zum Islamisten wird; zwei koptische Brüder, die keinen Unterschied zwischen legalen und illegalen Geschäften machen, weil sie Geld für die ersehnte Dachgeschosswohnung zusammenraffen, einen schwulen Intellektuellen, der in solchen Dachwohnungen seinen jungen Liebhaber versteckt, und einen alternden adeligen Frauenhelden. Korrupte Politik und fehlende Perspektiven einer erstarrten Klassengesellschaft werden sichtbar. Al-Aswani wurde im Westen be­kannt, als er das Schweizer Mi­narett-Verbot mit Milde und Verständnis kommentierte.

Muhammad al-Bissati hingegen variiert mit „Hunger“ (Lenos Verlag, 140 S., 17,50 €) Knut Hamsuns Klassiker: Die Erfahrung eines nagenden leeren Magens steuert das Denken und Nichtdenken einer Familie – und so bestrickend menschliche Nächstenliebe sein mag, sie ersetzt kein soziales Netz. Das Besondere an diesem Roman: authentische Einblicke in das Alltagsleben ägyptischer Kleinstädte.

Und manchmal ist auch der Blick von außen reizvoll: Vor zwei Jahren erschienen der Ägypten-Reiseroman der Österreicherin (und Orientalistin) Barbara Frischmuth unter dem irreführenden Titel „Vergiss Ägypten“ (Aufbau Verlag, 220 S., 18,90 €). Frischmuth spielt Lebensläufe von ägyptischen Frauen in einer Vielfalt durch, die so orientalisch anmutet wie ein Ornament. Denn wer über Ägypten schreiben will, heißt es mitten in diesem feuilletonistisch hingetupften Geschichten-Fluss, soll an die Menschen denken und nicht an das Land. Lesend aber pendelt man am Ende doch zwischen Gegenwart und Geschichte dieses an Tradition so reichen Landes.