Dortmund..
Wenig Revolution, viel Effekt: Anette Leistenschneider inszeniert Jacques Offenbachs „Ritter Blaubart“ in Dortmund als opulentes Ausstattungsstück.
Jacques Offenbach wusste Prioritäten zu setzen. Erst die Revolution, dann das Happy End, wie es zum Schluss seines „Ritter Blaubart“ heißt. Erst das emanzipatorische Aufbegehren gegen den finsteren Lüstling, dann die Hochzeit mit dem Geläuterten. Und schließlich: Erst die Desavouierung des rituellen Gehabes bei Hofe durch eine kecke Vertreterin des Bauernstandes, dann die allgemeine Versöhnung, zelebriert im tanzenden Taumel.
So funktionierte Operette in Paris zur Zeit des II. Kaiserreichs: Die ungeliebte Realität wurde szenisch-musikalisch karikiert, ins Lächerliche gezerrt. Die Parodie gab den Ton an, und dahinter zeigte sich Schlüpfriges, Groteskes, bisweilen sogar ein Hauch von Sentimentalität. Das Publikum, selbst das aus hohen adeligen Kreisen, jubelte.
Das Auge wird verwöhnt
Nun hat die Regisseurin Anette Leistenschneider „Ritter Blaubart“ auf die Dortmunder Bühne gebracht. Als opulentes Ausstattungsstück, das vor Historisierungen nicht halt macht, das sich um trennscharfe Typisierung und witzige Interaktion bemüht. Vieles gelingt, das Auge wird verwöhnt, doch der zündende Funke will nicht überspringen. Hier und da Pointen des Amüsements, indes kein Rausch.
Offenbachs Kritteleien sind ja dreifacher Art. Im „Blaubart“ geht’s gegen die Herrschenden, wird das Märchen vom Frauenmörder zur Farce über einen betrogenen Betrüger, parodiert zudem die Musik das dramatische Operngehabe. In Dortmund aber traut man sich, jenseits optischer Effekte, nur ein bisschen Revolution zu. Das Fortschreiten der Handlung wirkt mitunter zäh, die Dortmunder Philharmoniker unter Lancelot Fuhry, hinten auf der Bühne platziert, lassen mauen Sekt perlen, keineswegs Champagner.
Nennen wir also Ausstatter Christian Floeren, dessen gruseliges Friedhofsbild ebenso wirkmächtig ist wie etwa die den Kitsch streifende Schäferidylle zu Beginn. Nehmen wir Ulrike Kremer, die die farbenprächtigen, oft in blau, lila und rosa gehaltenen Kostüme schuf. Das ergibt einen mit Liebe gezeichneten Stilmix der aufwendigen Art.
Zudem ist manche Figur gelungen: Blaubart als düsterer Ritter der hochnäsigen, säuselnden, traurigen Gestalt (Craig Bermingham, leider blass im Gesang) und Boulotte als keckes, ja aufrührerisches Mädchen vom Lande (Vera Semieniuk mit leuchtender, nuancenreicher Stimme). Oder Johanna Schoppa und Hannes Brock als dekadentes Königspaar. Oder der Alchemist Popolani, der nur scheinbar Blaubarts Frauen vergiftet, um sich dann mit ihnen zu vergnügen. Schade bleibt indes, dass nur wenige die komödiantische Ader eines Hans Werner Bramer besitzen, der den Grafen Oscar in königlichen Diensten wunderbar zeichnet. So bleibt „Blaubart“ in Dortmund ein Spaß, ein Augenschmaus. Nicht mehr.