Essen. Teil sieben der legendären Rundenstrategiespiel-Reihe bricht mit einigen „Civilization“-Standards. Das wird nicht allen Fans gefallen.
- „Civilization 7“ erscheint am 11. Februar.
- Gaming-Fans erwarten einige Neuerungen.
- „Civilization 7“: Wir haben das Spiel vorab getestet.
„Nur noch eine Runde.“ Dieses Gefühl, das eine gute Partie „Civilization“ seit jeher auslöst, ist längst zum geflügelten Wort und Qualitätskriterium geworden. Civilization, das bedeutet: Nur noch den Angriff an der Grenzstadt abwehren. Nur noch diese eine Technologie erforschen. Nur noch das Weltwunder fertig bauen. Nur noch eine Runde. Schon so mancher ist plötzlich aufgeschreckt, weil es draußen wieder dunkel (oder hell) war oder das Essen auf dem Teller wieder kalt.
Die gute Nachricht ist: Dieses Gefühl stellt sich auch bei Teil sieben der legendären rundenbasierten Strategiespiel-Reihe von Sid Meier wieder ein, der am 11. Februar erscheint. Denn natürlich ist Entwickler Firaxis Games vom mitreißenden Kernkonzept nicht komplett abgewichen: Man wählt eine historische Herrscher-Persönlichkeit wie Kleopatra oder Napoleon, führt ein Volk mit individuellen Stärken und Schwächen aus der menschlichen Frühzeit in die Zukunft, gründet Siedlungen und Religionen, erforscht Technologien und soziale Konzepte, handelt und kämpft mit anderen Nationen und versucht, aus diesem Wettstreit schließlich siegreich hervorzugehen – zum Beispiel als Eroberer, Raumfahrer oder durch kulturelle Überlegenheit.
„Civilization 7“ verteilt die Weltgeschichte auf drei Zeitalter – inklusive Mini-Neustarts dazwischen
Bei „Civilization 7“ begleitet man nun nicht mehr bloß eine Nation vom Faustkeil zu den Kampfpanzern. Stattdessen ist das Spiel dreigeteilt (das Leitmotiv der Entwickler lautete „Geschichte ist vielschichtig“): Im Zeitalter der Antike gründen wir erste Siedlungen und erkunden die nähere Umgebung, das Zeitalter der Erkundung rückt die Entdeckung neuer Überseegebiete ins Zentrum und die Moderne markiert den Endspurt mit immer mehr Möglichkeiten. Nach den ersten beiden Zeitaltern wählen wir ein neues Volk mit neuen Charakteristika, mit dem wir auf dem bisher erspielten Fortschritt aufbauen. Im Test sind wir etwa mit den Römern gestartet, haben dann die Normannen übernommen und sind schlussendlich bei Preußen herausgekommen – passend zum Anführer Friedrich, der Große, dessen individuelle Eigenschaften sich mit denen von Preußen gut ergänzen und der eine der wenigen Konstanten unserer Reise war.

Das geht zu Lasten der Atmosphäre, führt aber zu mehr Flexibilität: Wenn man beispielsweise auf einen Wissenschaftssieg abgezielt und entsprechend Anführer und eines der zehn Startvölker gewählt hat, sich im Spiel aber eher eine militärische Richtung ergibt, kann man beim Zeitalter-Wechsel umschwenken. Welche der insgesamt 31 Völker (in der Basisversion des Spiels) später zur Wahl stehen, hängt auch vom Spielstil ab: Wer in der Moderne Russland wählen will, muss auch Siedlungen in der Tundra haben – oder direkt Katharina, die Große als Herrscherin auswählen, weil damit die russische Option automatisch offensteht. Für Leistungen im vergangenen Zeitalter erhalten die Spieler Vermächtnispunkte, mit denen sie bestimmte Vorteile kaufen und die Partie noch mehr auf ihre aktuellen Bedürfnissen anpassen können. Generell kann man sagen: „Civilization 7“ bietet so viele Möglichkeiten wie keiner der Vorgänger, eine Partie auf den individuellen Spielstil zuzuschneiden.
Wie schnell es ins nächste Zeitalter geht, bestimmt das neue Meilenstein-System: Wenn eine Zivilisation auf einem der nur noch vier Standard-Siegpfade Militär, Wirtschaft, Forschung oder Kultur ein Zwischenziel wie eine bestimmte Menge großer Werke im Reich oder die Eroberung einer Anzahl von Städten erreicht, rückt das Ende des Zeitalters näher. Ist schließlich auf einem Pfad alles geschafft, zieht eine große Krise auf, die sich in den verbleibenden Runden des Zeitalters weiter verschärft und mit ihren negativen Auswirkungen neue Strategien vom Spieler verlangt. Beispielsweise rafft die Pest Einheiten dahin oder militärische Expansion sorgt für unglücklichere Bürger in der alten Heimat. Das ist historisch sogar irgendwie stimmig: Statt 6000 Jahre mit den Römern zu verbringen, zerbröckelt ihr Imperium und neue Mächte gehen daraus hervor.
Die nächste Änderung: Städte und Gemeinden
Civilization 7 hat also in einer Standard-Partie zwei kleine Neustarts eingebaut (man kann aber auch in der Erkundung oder direkt in der Moderne starten). Die äußern sich auch dadurch, dass Kriege und Allianzen vorbei sind, Schäden an Gebäuden und Modernisierungen repariert und die Krisenauswirkungen vorbei. Zudem wird nur ein gewisser Teil der Einheiten ins neue Zeitalter übernommen. Diese werden dann bei allen Zivilisationen auf die Basiseinheit des neuen Zeitalters aufgewertet, und das neue Zeitalter beginnt mit einem neuen Forschungszweig. Die Spieler rücken also wieder näher zusammen, uneinholbare Vorsprünge werden deutlich seltener, zumal ein Städtelimit zu schnelle Expansion mit sinkender Produktivität oder gar Revolten bestraft. Und: Bis auf die Hauptstadt werden nach dem großen Umbruch alle Städte wieder zu Gemeinden degradiert.

Moment, Gemeinden? Richtig: „Civilization 7“ unterscheidet zwischen Städten und Gemeinden. Nur in Städten kann man gegen Produktion Gebäude und Einheiten bauen. Gemeinden dagegen wachsen zwar schneller und stellen ihre Produktion in Form von Gold dem Reich zur Verfügung, können aber nur mit Gold ausgebaut, ausgestattet und schließlich (zu erheblichen Kosten) zu einer Stadt aufgewertet werden. Spieler müssen gerade zu Beginn also abwägen, wo eine Stadt wirklich nötig ist, um das Wirtschaftssystem nicht mit Goldmangel in die Schieflage zu bringen.
Auch sonst hat Firaxis am Stadtmanagement geschraubt: Wächst eine Stadt dank ausreichend Nahrung, platzieren wir den neuen Bürger selbst auf der Stadtkarte und erhalten je nach Art des Feldes einen Bauernhof, ein Fischerboot oder eine Mine. Bauarbeiter, mit denen wir selbstständig über die Karte reisen und alles ausbauen, sind passé. Auch Gebäude werden direkt auf der Karte platziert, zum Teil können wir mehrere auf ein Feld setzen. Im Laufe der Zeitalter verlieren alte Gebäude wie Schmied oder Basar Teile ihrer Boni, sodass es sich lohnen kann, sie mit aktuelleren Bauwerken zu überbauen. Und Spezialisten werden nicht mehr kompliziert aus der Gesamtbevölkerung gelöst, man weist einfach einen Bürger einem passenden Gebäudefeld zu.
Anspruchsvoller Spagat zwischen schlankem Design und komplexer Tiefe
Insgesamt wird schnell deutlich, dass die Entwickler sich um einen anspruchsvollen Spagat bemüht haben: Einerseits ist „Civilization 7“ ein gewaltiges Monster, in dem sich unzählige Spielmechaniken der Vorgänger wie Regierungen, Sozialpolitiken, Ausrichtungen, Religionen oder Ideologien wiederfinden. Nur deshalb, weil manche davon exklusiv in einem der drei Zeitalter eine größere Rolle spielen – die Religion etwa nur im zweiten –, wird man nicht sofort von der Masse an Möglichkeiten erschlagen. Auch „Civilization“-Veteranen werden mutmaßlich ein paar Partien brauchen, bis sie sich vollends zurechtfinden.
Andererseits ist überall der Wille zu erkennen, das Spiel zu verschlanken und zu raffen, im Sinne eines dynamischeren Spielerlebnisses, aber auch, um es für ein breiteres Publikum offen zu halten. So bleibt etwa die Diplomatie (im acht Jahre alten Teil sechs noch ein eigener Siegespfad) ausbaufähig, neben Standards wie gemeinsamen Kultur- und Wissenschaftsprojekten oder Technologie-Diebstahl muss man weitere Möglichkeiten oft erst erforschen, sodass sie einem in manchen Spielen gar nicht zur Verfügung stehen. Auch das Handelssystem wirkt auf den ersten Eindruck eher eindimensional – Händler in eine fremde Stadt schicken, Handelsweg bauen, Ressourcen der Zielstadt erhalten. Details wie obligatorische Öl-Ressourcen zum Aufbau einer Marine oder Luftflotte gibt es ebenfalls nicht mehr, stattdessen stärkt das Schwarze Gold nun einfach die Truppen. Und Stadtstaaten und Barbaren vereinen sich im Konzept der unabhängigen Mächte, die zunächst oft feindlich gesinnt sind und deren Unterstützung man sich erst mit politischem Einfluss erkaufen muss.

Das führt stellenweise zu schrägen „Die Funktion muss es doch geben!“-Momenten, bis man feststellt, dass man etwa eine Einheit doch aufwerten kann, es aber wirklich derzeit keine Funktion für eine Forschungsreihenfolge gibt, sodass alle Technologien bis hin zum gewünschten Ziel der Reihe nach erforscht werden. Das sind ungewöhnlich offensichtliche Kinderkrankheiten für eine solch etablierte Spielereihe. Aber kleinere Updates seit dem Spielstart und ein für März angekündigter erster großer Patch deuten darauf hin, dass Firaxis die breite und teils harsche Kritik der Spieler aus dem Early Access (vor allem zu Benutzeroberfläche und Menüführung sowie zu fehlenden Features wie Kartentypen) verstanden hat und zügig Abhilfe schaffen wird.
Diverse Änderungen fallen positiv auf
Andere Änderungen treffen ohnehin ins Schwarze: Hat man genug Zufriedenheit angesammelt, finden im Reich Feierlichkeiten statt, die konkrete Belohnungen mit sich bringen. Flüsse lassen sich nun mit Häfen und Werften bebauen und mit Schiffen befahren. Alle Nationen haben einen eigenen Ausrichtungspfad zu erforschen, der besondere Gebäude und Politiken bietet und an dessen Ende sie auch ein völkerspezifisches Weltwunder früher bauen können als der Rest der Zivilisationen. Technologien kann man per Meisterschaft vertiefen – oder einfach zur nächsten weitergehen, wenn man andere Prioritäten hat. So könnte man noch eine Weile weiter machen: Viele klug erdachte Details sorgen für ein insgesamt rundes Spielerlebnis.
Eine stimmungsvolle Ergänzung ist das neue „Emergent-Narrative-System“. Diese zwischendurch auftretenden Ereignisse nehmen nicht nur auf die jeweilige Zivilisation und ihre Entwicklung Bezug, sondern auch auf erforschte Technologien oder Schlachten des Spielers. In der Konsequenz hat man wirklich ein wenig das Gefühl, in unserem Beispiel den Aufstieg der Römer mitzuverfolgen.

Das Kampfsystem setzt wieder auf aktive Kommandanten
Eine weitere große Änderung betrifft das Kampfsystem: Einheiten sammeln selbst keine Erfahrung mehr, nur die neu gestalteten Kommandanten können erhalten für jeden Sieg Punkte, die in vielseitige Beförderungen fließen. Diese geben sie nicht nur passiv an ihre Truppen weiter, sie können auch konkrete Fähigkeiten aktivieren, also etwa den geballten Angriff auf ein Ziel veranlassen. Sie können außerdem Einheiten „ein- und ausladen“ und diese als Verband schneller über die Karte transportieren. Und sie treten nicht nur wie bisher als Land- und See-Generäle auf, sondern auch als Luftkommandeure und Flugzeugträgerkapitäne. Werden sie besiegt, verschwinden sie eine Weile und kehren dann zurück. Daher kann es sich lohnen, früh mehrere Kommandanten auszubilden und mit ihnen Erfahrung zu sammeln, die über die Zeitalter hinweg erhalten bleibt.
Auch neu: Städte werden nicht mehr nur auf ihrem zentralen Feld angegriffen, falls der Kontrahent auf mehreren Feldern Befestigungsanlagen errichtet hat, müssen wir diese erst Feld für Feld erobern, inklusive der eventuell dort abgestellten Verteidiger-Truppen. Das macht das militärische Ringen zu einer neuen, aber angenehmen Herausforderung.
Überhaupt hat Firaxis an der Balance des Kampfsystems geschraubt: In früheren „Civilization“-Teilen lohnte es sich oft nicht, im Früh- und Mittelspiel große militärische Auseinandersetzungen zu suchen, weil die zäh mit Katapulten und Rittern erkämpften Siege den sonstigen Fortschritt der gerade erst erblühenden Zivilisation zu stark bremsten. In Civilization 7 aber kann man auch in der Antike in kleinere Scharmützel gehen, ohne fürchten zu müssen, sofort abgehängt zu werden. Die berüchtigte Kriegsmüdigkeit schlägt zwar auch im neuen Teil irgendwann zu, lässt sich aber mit politischem Einfluss zu den eigenen Gunsten beeinflussen.

„Civilization 7“: Eine runde, vielseitige, nur manchmal stromlinienförmige Sache
Das alles fügt sich zu einer erstaunlich runden und nur manchmal etwas zu glatten Spielerfahrung: Es macht einfach Spaß, wie man durch die Zeitalter schaukelt, die verschiedenen Kombinationen und Spielmechaniken ausprobiert und sich neuen Gegebenheiten anpasst. Motivationsdurchhänger sind selten. Ganz ausbalanciert ist das Spiel zum Start allerdings nicht. Manche Wunder, Siegespfade oder Mechaniken sind derzeit einfach noch zu stark. Auch gut strukturierte Riesenreiche oder solche mit massenhaft Gold sind nach wie vor allen anderen überlegen. Letztere auch deswegen, weil man mit viel Gold im Blitztempo selbst in der Moderne Siedlungen hochziehen kann, die im Gegenteil zu früher dann sogar noch von Nutzen sind – was man allerdings durchaus als Stärke des Spiels sehen kann.
Die KI macht einen zwiespältigen Eindruck: Manchmal nutzt sie clever Momente der Schwäche und reagiert auf eine eigene Kriegserklärung gleich mit dem Gegenangriff von drei anderen Völkern. In anderen Momenten agiert sie etwas zahm. Bei der Wegfindung der Einheiten rätselt man auch gelegentlich, ebenso darüber, warum feindliche Siedler gern unmöglich zu verteidigende Enklaven in den Lücken unseres Reiches gründen. Und das einem die Kriegsgegner als Pfand für den Frieden bereitwillig eine Riesenstadt mitten im eigenen Kernland überlassen, sollte selbst auf niedrigen Schwierigkeitsgraden nicht vorkommen.

Was man bei all der Rede über Spielmechaniken noch erwähnen sollte: „Civilization 7“ sieht toll aus. Anfangs sind gerade dicht besiedelte Stadtgebiete zwar etwas unübersichtlich, aber mit der Zeit lernt man die kleinteilige Vielfalt der Welt schätzen. Dabei kommen auf dem PC vermutlich selbst fünf bis sechs Jahre alte Systeme mit der Pracht des Spiels zurecht, wenn man die Grafikqualität herunterschraubt. Da kann man auch mal Abstriche machen, wie bei den Animationen zu fertiggestellten Weltwundern, die nicht mit der Detailversessenheit vorheriger Serien-Teile mithalten können.
Die Langzeitmotivation sollen bei „Civilization 7“ unter anderem Legenden und Mementos erhöhen: Diese Embleme schaltet man nach fertigen Spieldurchläufen (egal ob gewonnen oder verloren) Stück für Stück frei, sie geben kleine Boni, mit denen man seinen Herrscher ausstatten und den nächsten Durchlauf wieder etwas anders anlegen kann.
Für manche Fans wichtig: Bis in die Gegenwart reist man dieses Mal nicht
Ein Fallstrick des neuen Titels dürfte vielen Spielern erst gegen Ende auffallen: Wo man bisher eigentlich immer bis in eine nahe Zukunft forschte, endet „Civilization 7“ ungefähr in den 60er-Jahren, zur Zeit der ersten Raumfahrt-Missionen, die auch hier ein mögliches Spielende markieren. Wer also die Postmoderne mit ihren Interkontinentalraketen und Tarnkappen-Bombern liebt, wird nicht bedient. Auch Klimakatastrophe und Ökologie-Komponenten spielen keine größere Rolle. Bisher: Letzteres lieferte auch der Vorgänger erst mit dem Add-on „Gathering Storm“ nach. Beide Inhalte dürften wie geschaffen sein für zukünftige Erweiterungen, die Firaxis vermutlich längst mitgedacht hat.
Letztlich sollten sich Fans fragen: Spiele ich „Civilization“ eher „bibliothekarisch“, vertiefe mich in die Menüs und lege Wert auf die durchgehende Reise von der menschlichen Frühzeit bis in die Gegenwart? Oder kann ich mich einlassen auf ein stromlinienförmigeres, dynamischeres „Civilization“, dass auch im Multiplayer interessanter werden dürfte als bisherige Teile? Wer glasklar zur ersteren Fraktion gehört, wird mit „Civlization 7“ eventuell nicht glücklich. Alle anderen erwartet (spätestens nach den erwartbaren Korrekturen und Erweiterungen) wieder Rundenstrategie der Extraklasse. Und der regelmäßige Gedanke: Nur noch eine Runde.
„Civilization 7“ erscheint am 11. Februar für PC, PlayStation, Xbox und Switch (und später auch als Virtual-Reality-Version). Es kann plattformübergreifend gespielt werden. Käufer der Deluxe- und Gründer-Edition mit erweiterten Inhalten wie zusätzlichen Anführern und Zivilisationen durften schon fünf Tage früher im Early Access loslegen.