Düsseldorf. Die Kultband um Skandalnudel Phil Anselmo beeindruckt in der Mitsubishi Electric Halle auch ohne die Abbott-Brüder mit Wucht und Dynamik.
Kurz, rasant, intensiv: Mit dem nicht mal drei Minuten langen Uptempo-Stück „Fucking Hostile“ beschließen Pantera ihren Auftritt in einer sehr gut gefüllten Mitsubishi Electric Halle. Dies begleitet von tosendem Jubel des überwiegend aus Männern jenseits der 40 bestehenden Publikums. „War doch ganz geil für eine Tribute-Band“, hört man einen der Besucher beim Verlassen der Halle sagen. Über den Sinn der Wiedervereinigung ohne zwei tragisch ums Leben gekommene Mitglieder der „goldenen Ära“ Panteras streiten Fans seit der Erstankündigung im Juli 2022.
Mit Alben wie „Cowboys From Hell“, „Far Beyond Driven“ und insbesondere „Vulgar Display Of Power“ begeistern Pantera in den 90ern diejenigen, denen Metallica zu poppig und Iron Maiden zu inspirationslos werden. Sänger Anselmo, Bassist Rex Brown und die Abbott-Brüder Dimebag Darrell (Gitarre) sowie Vinnie Paul (Drums) heimsen international Multi-Platin ein, bevor interne Streitigkeiten 2003 zur Auflösung führen. Ein Jahr später erschießt ein geistig verwirrter Attentäter Dimebag Darrell bei einem Konzert dessen neuer Band Damageplan – ein Comeback erscheint so gut wie unmöglich. Spätestens aber 2018, als Vinnie Paul einem Herzinfarkt erliegt.
Pantera live in Düsseldorf: Ex-Ozzy-Gitarrist und Anthrax-Drummer liefern formidabel ab
Doch seit Dezember 2022 donnern die prägnanten Riffs und die wuchtigen wie technisch anspruchsvollen Drumpatterns von „Becoming“, „A New Level“ oder „Strength Beyond Strength“ wieder durch die Hallen des Planeten. Druckvoll gespielt von Gitarrist Zakk Wylde (Langzeitkollaborateur und Live-Musiker von Ozzy Osbourne und Mastermind der Band Black Label Society) sowie Schlagzeuger Charlie Benante (Anthrax), die den Abbott-Brüdern in enger Freundschaft verbunden waren. Den direkten Vergleich zum klassischen Aufgebot können in Düsseldorf aber nur knapp 50 Prozent ziehen.
„Wer von euch hat Pantera schon in den 90ern gesehen?“, fragt Anselmo. In etwa die Hälfte der Arme wird gen Decke gereckt. Und wirklich niemand kann sich beklagen, dass den verstorbenen Brüdern nicht ausreichend Tribut gezollt wurde. Vinnie Paul und Darrell sind omnipräsent, als Konterfei auf Benantes Bassdrums sowie mehreren (45 Euro teuren) T-Shirts am Merchandise. Erst recht aber in den Live- und Videoaufnahmen aus den 90ern, die die Songs untermalen, die ohne Ausnahme aus eben diesem Jahrzehnt stammen. Auf neue Stücke, die laut Rex Brown in Arbeit sind, müssen die Fans ebenso verzichten wie auf die Glam-metallischen Frühwerke aus den 80ern – wobei die schon zu Lebzeiten der Abbott-Brüder in den Giftschrank geschlossen wurden.
Pantera live in Düsseldorf: Brachial und dynamisch
Das stört in Düsseldorf die Wenigsten. Das für 100 Euro Eintritt mit zwölf Songs plus dem „Domination“/„Hollow“-Medley in 75 Minuten Nettospielzeit etwas zu kurze Best-of-Programm erfüllt seinen Zweck. Es gibt weiträumige Moshpits, Headbanging, soweit das Auge reicht und lautstarkes Intonieren des Refrains zu „Walk“, dem dank häufiger Nutzung in internationalen Sportstadien wohl bekanntesten Song der Bandgeschichte. Phil Anselmos Bühnen-Bewegungsdrang hält sich dabei in Grenzen. Der 56-Jährige ist aber stark bei Stimme, brüllt, bellt, grölt inbrünstig und trifft beim ruhigen „Floods“ auch die leiseren Töne.
Zudem interagiert er gut mit dem Publikum, erwidert auf die wiederholten „PAN-TE-RA“-Rufe ein typisch amerikanisch klingendes „DU-SSEL-DORRF“, unterschreibt gegen Ende gar auf ein die Bühne geworfenes Fan-Shirt. Und: Er spart sich politische Ansagen. Die schädigten den Ruf der Band in der Vergangenheit nachhaltig. Mehrfach geriet der Frontmann wegen rassistischen Verfehlungen in die Schlagzeilen.
Tiefpunkt: der Hitlergruß mit „White Power“-Ruf beim „Dimebash“-Festival 2016. Der sorgte, einer späteren Entschuldigung zum Trotz, sieben Jahre danach für eine laute öffentliche Debatte und schlussendlich die Ausladung bei den Festivals „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. Womöglich hat Anselmo dazu gelernt, schon 2023 wies er bei einer Show in Sofia einen Fan mit gezückter „White Power“-Fahne scharf zurecht („Da hält einer eine Fahne hoch und versucht, so die Show zu ruinieren, ich will mit dieser verf****** Fahne nichts zu tun haben“). So hinterlassen die neuen Pantera in Düsseldorf einen fast schon sympathischen, sicherlich aber kraftvollen und dynamischen Eindruck. „Wer von euch wäre denn dabei, wenn wir schon ganz bald an diesen Ort zurückkehren?“, fragt Anselmo kurz vor Ende. Die Antwort fällt eindeutig aus.
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