Essen. In unserer Kolumne „Mahlzeit“ testen wir anonym Restaurants, Cafés und Imbisse im Ruhrgebiet. Folge 1 verschlägt uns in Die Gärtnerei nach Essen.

Wirsingroulade: In meiner Kindheit war das ein saftiger Hackfleischklops, dick umwickelt mit wabbeligen Kohlblättern in einer meist etwas zu salzigen Sauce, bei der mit Speisestärke nicht gespart worden war.

„Die Gärtnerei“ interpretiert den Klassiker deutscher Hausmannskost deutlich moderner und leichter: Hauchzart und knusprig schmiegt sich das Wintergemüse um die bissfeste Wirsing-Füllung. Dabei thront die Roulade auf einem Spiegel sämig dunkler Jus, die beweist, dass es für die richtige Würze keine tierischen Bestandteile, sondern nur Reduktion (und viel Geduld) braucht. Begleitet wird das komplett vegane Hauptgericht von zwei stattlichen Kräuterseitlingen, Petersilienwurzel-Püree und kleinen Ofentomaten, die noch mehr Farbe auf den bunten Teller bringen.

Die Portion macht satt, lässt aber noch ein wenig Platz für Nachtisch – zum Glück! Das ebenfalls vegane „Gärtnerei-Snickers“ (11 Euro) ist eine sündhafte Kombination aus cremigem Erdnuss-Parfait, samtiger Schokomousse und Karamell, garniert mit knusperdünnem Filoteig. Die Abwesenheit von Eiern und Sahne stört nicht, im Gegenteil: Der pure Schoko- und Erdnussgeschmack wirkt so noch konzentrierter.

Fisch und Fleisch „für Feiglinge“

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Unser veganes Hauptgericht. Wirsingroulade mit Petersilienwurzel-Püree, Kräuterseitlingen und Ofentomate. © FUNKE Foto Serrvices | Jennifer Schumacher

Meine Begleitung war bei der Wahl ihres Hauptgerichts weniger mutig und hat den „Fang des Tages“ zu ihrem lauwarmen Chicoréesalat bestellt, der mit fruchtigem Birnenmus, Walnusscrumble und Schnittlauchöl daher kommt. „Für Feiglinge“, wie es in der Speisekarte heißt, bietet das vegetarische Restaurant wahlweise Fisch (14 Euro) oder ein Rumpsteak vom Hochlandrind (18 Euro) als Upgrade für alle Hauptgerichte an. Das feinbuttrige Doradenfilet „schmeckt genauso wie eine Dorade schmecken muss“, findet mein Gegenüber, gesteht aber ein, dass es den Fisch zum kulinarischen Glück gar nicht gebraucht hätte.

Der Genuss hat seinen Preis: Die Wirsingroulade ist mit 26 Euro aktuell das teuerste Gericht der saisonal wechselnden Karte, für den Chicoreé-Salat zahlen wir 13 Euro plus die Extrakosten für den Fisch. Der Aperitif, ein alkoholfreier „Sparkling Earl Grey“, ist eine spritzig-feinherbe Überraschung für 9 Euro. Das Glas Wein schlägt mit 8 Euro zu Buche.

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Der fruchtige Silvaner des bei Gourmets nicht unbekannten Winzerhofs Stahl ist eine Empfehlung des absolut fachkundigen Services, der uns an diesem Abend wunschlos glücklich macht: Unaufdringlich charmant, beratend aber nicht belehrend findet er genau das richtige Wohlfühl-Maß. Das gilt auch für das Ambiente: Naturtöne und Holz dominieren die Räume, dazu schlichter Industriechic und Designlampen. Ebenso wie auf ihrer Speisekarte konzentriert sich „Die Gärtnerei“ auch beim Interieur auf das Wesentliche, ist nicht überladen, dafür geradlinig modern.

Unser Fazit: Fine-Dining funktioniert auch ohne tierische Zutaten

Online-Bewertung Die Gärtnerei
Unsere Bewertung für „Die Gärtnerei“ in Essen. © FFS | FFS

Fazit: Wer bislang glaubte, Fine-Dining komme nicht ohne tierische Zutaten aus, wird hier mit Ausrufezeichen eines besseren belehrt. Die kulinarische Reise durchs Gemüsebeet hat zwar ihren Preis aber: Man muss sich ja hin und wieder auch etwas gönnen.

Besonders: Da immer mehr Menschen nicht nur auf Fleisch sondern auch auf Alkohol verzichten, gibt es in der Gärtnerei eine beeindruckende Auswahl nullprozentiger Drinks. Für die „trockenen Monate“ Januar und Februar wurde sogar eine Extra-Karte konzipiert. „Nüchtern betrachtet, geil“ steht darauf. Dem können wir nichts hinzufügen.

Die Gärtnerei, Klarastraße 70, Essen. Öffnungszeiten: dienstags-samstags 17-22 Uhr, mehr Informationen auch hier.