Berlin. Von Melbourne über London bis Berlin: „Mutiny in Heaven – Nick Caves frühe Jahre“ porträtiert die Punk-Band The Birthday Party.
„Alles war möglich“ – „Wir waren naive Abenteurer“ – „Unsere Musik war ungemütlich und böse“. Das muss eine wilde Zeit im Melbourne der 70er-Jahre gewesen sein, als der 17-jährige Nick Cave mit zwei Schulfreunden die Band Boys Next Door gründete, um den jungen Australiern den Punk zu lehren.
„Mutiny in Heaven“: Trip nach London in die Punk-Hauptstadt
Später verstärkt durch zwei ziemlich gute Bassisten bzw. Gitarristen flogen sie dann 1978 nach London, wo sie mittlerweile als The Birthday Party frustriert feststellen mussten, dass der Punk dort längst kommerzialisiert und der Alltag hart war („Wir hatten kein Geld und wussten nicht, wie wir unsere Miete zahlen sollten“).
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Bis sie der legendäre John Peel für seine BBC-Show entdeckte und die fünf wilden Australier, die nach eigener Aussage mit heftigem Minderwertigkeitskomplex in die Hauptstadt des Punk gereist waren, plötzlich die Indie-Charts eroberten.
„Mutiny in Heaven“: Nick Cave trifft in Berlin Blixa Bargeld
Und dann 1982 weiterreisten ins eingemauerte West-Berlin, wo Nick Cave unter gotischen Heiligenbildern schlief, sich mit Blixa Bargeld anfreundete und jene Melancholie entdeckte, die ihn später mit den Bad Seeds auszeichnen sollte.
Ja, das ist schon eine wahre Perle an seltenen Konzertausschnitten, originellen Animationssequenzen über Drogentrips und andere menschliche Abgründe und aktuellen Interviews mit den noch lebenden Bandmitgliedern, die Ian White für seine liebevolle Dokumentation „Mutiny in Heaven – Nick Caves frühe Jahre“ zusammengetragen hat.
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Nicht nur, dass die Vielzahl an Originalaufnahmen eine vibrierende Zeit widerspiegeln, als Nick Cave mit nacktem Oberkörper, Vogelnest-Frisur, Urschreien ins Mikrofon und stilisierten Figuren wie dem „Stripper“ das Publikum erschreckte.
„Mutiny in Heaven“: Ehrliche Lust an der Provokation
Der Film führt auch in die Binnenstruktur einer Band, die keinerlei Unterschied zwischen Musiker und Mensch machte. „Wir waren so, wie wir sind“, sagt Rowland Howard rückblickend. Diese Unmittelbarkeit im Ausdruck, das Fehlen jeglicher Inszenierung, diese ehrliche Lust an der Provokation, befördert durch reichlich Drogenkonsum, führt in eine so vergnügliche wie ferne Musikwelt. Nicht nur für Nick-Cave-Fans ein Muss.
Dokumentarfilm, Australien 2023, 98 min., von Ian White