Hagen. Heimlich ist es Batuhan Özer gelungen, ein Bild ins Osthaus-Museum Hagen zu schmuggeln. Nun hängt es neben weltberühmten Kunstwerken.
So etwas hat dieses Museum noch nicht erlebt: Dieser Fall eines jungen Hageners sorgt in den sozialen Medien für Aufsehen. Denn Batuhan Özer (23) hat sein eigenes Bild in einem Rucksack in das Osthaus-Museum geschmuggelt und dort an der Wand des Jungen Museums aufgehängt. „Wir werden das Bild hängen lassen und haben es mit einem entsprechenden Label versehen. Es wird bis Mitte Februar ausgestellt“, sagt Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer Stamm. Das Haus reagiert auf den Scherz und das zugehörige Video in den sozialen Medien mit einem Augenzwinkern.
„Wenngleich das nicht bedeutet, dass wir daraus keine Konsequenzen ziehen. Bei allem Spaß haben wir natürlich noch einmal unser Personal geschult und dafür sensibilisiert, dass keine Taschen mit in die Ausstellungsbereiche genommen werden dürfen und die Vorgabe künftig noch strenger überprüft wird.“, so Stamm. Beschädigt worden sei glücklicherweise nichts: „An der Stelle hing noch ein Nagel von einem älteren Ausstellungsstück, das abgehängt worden ist.“

„Wir werden das Bild hängen lassen und haben es mit einem entsprechenden Label versehen. Wenngleich das nicht bedeutet, dass wir daraus keine Konsequenzen ziehen. “
Und so steht man an diesem Tag hier, gemeinsam in dem renommierten Haus, unten vor der Wand, an dem die farbenfrohe Leinwand hängt. Der junge Mann, der zuvor noch nie in diesem Hagener Museum gewesen ist. Und ein Direktor, der sich zum Ziel gesetzt hat, genau für ebenjene Zielgruppe Kultur und Kunst wieder interessanter und zugänglicher zu machen.
Vielleicht ist auch das einer der Gründe dafür, dass das Bild dort hängen bleiben darf. „Hagen ist kein verschlafenes Nest. Wir sind mittendrin. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Und natürlich würden wir uns freuen, wenn junge Besucher, die das ,neue Werk‘ sehen möchten, sich auch die anderen Ausstellungsbereiche anschauen“, sagt Stamm. „Das wäre für beide Seiten ein Gewinn.“

Fälle in München und Bonn
Im Oktober 2023 hatte es einen vergleichbaren Fall in der Bundeskunsthalle in Bonn gegeben: Am Ende der Ausstellung „Wer wir sind“ über Migration, hatte eine Restauratorin des Museums ein neues Bild bemerkt, das mit doppelseitigem Klebeband an die Wand geklebt war. Es befand sich in einem unbewachten Raum der Ausstellung, in dem vorwiegend Duplikate hingen. Nach einem Aufruf in den sozialen Netzwerken hatte sich die Künstlerin beim Museum gemeldet. Eine Strafe erwartete sie nicht - nur ein Dankeschön für das neue Bild.
Einen weiteren vergleichbaren Fall hatte es im April 2024 gegeben: Dort gab es im Nachgang für den „ungewollten Künstler“ eine Anzeige wegen Sachbeschädigung sowie eine Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses und Hausverbot: Die Münchner Pinakothek strafte damit einen freischaffenden Künstler ab, der nebenberuflich als technischer Mitarbeiter tätig war. Auch er hatte heimlich ein Gemälde aus eigener Produktion in einem der Ausstellungsräume angebracht.
Rucksack nicht ins Schließfach gebracht
Gewusst hat man im Museum von dem Scherz bis zuletzt aber nichts. Zwar hat es ähnliche Vorfälle schon in der Pinakothek in München und der Bonner Kunsthalle gegeben. Doch Batuhan Özer, der in den sozialen Medien (als „Batu“) immerhin mehrere hunderttausende Follower hat, hat es trotz mehrfacher Hinweise des Sicherheitspersonals geschafft, sein Bild unbemerkt ins Museum zu bringen und dort aufzuhängen. Er hat sogar gefragt - und alles aufgezeichnet.
Das selbstgemalte Gemälde im Rucksack verstaut, betrat der junge Mann am 23. Januar vormittags das Hagener Museum als normal zahlender Gast. Auf dem Rundgang und der Suche nach „dem perfekten Platz“ lief er mehrfach Security-Mitarbeitern über den Weg. Eine Mitarbeiterin sprach er sogar aktiv an: „Selber hier was aufhängen, das wäre nicht so, ne?“ Die Antwort ist: Nein. Und ein Lachen. Denn die Frau hätte wohl kaum gedacht, dass der junge Mann genau das vorhat.
Am Treppenabgang wird er, auch das ist im Video zu sehen, von einer weiteren Mitarbeiterin auf seine Tasche angesprochen und gebeten, sie an der Garderobe abzugeben. Er tut es nicht - und findet im Jungen Museum im Untergeschoss des Hauses, wo regelmäßig Workshops stattfinden, tatsächlich einen leeren Platz an der Wand mit einem freien Nagel.
Die Mitarbeiterin, die ihm folgt, kommt zu spät - und bemerkt das neue Ausstellungsstück nicht. Also hängt das Bild nun dort. Die kleine, bunte Leinwand. Blau, Grün, Rot und Schwarz hat der junge Mann, der sich selbst als Schumacher-Fan bezeichnet, verwendet - Farben aus dem Discountermarkt.
„Die Reaktion finde ich sehr cool und bin wirklich positiv überrascht. Ich werde sicher wiederkommen.“

Ein versprochener Nagel
Kunst liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. „Ein lebendiges Werk“, sagt Rainer Stamm mit einem Zwinkern. „Es hätte noch etwas mehr Struktur vertragen und vom Aufbau her interessanter sein können, für den ersten Versuch ist es aber nicht schlecht. Einen Versicherungswert haben wir noch nicht festgelegt“, bewertet er das noch namenlose Bild in seinen Reihen.
Dafür gibt es ein Versprechen: „An der Wand befindet sich noch ein zweiter, freier Nagel. Diesen habe ich ihm zugesichert für ein zweites Bild. Das muss dann allerdings bei mir persönlich abgegeben werden“, sagt der Direktor.

Batuhan Özer, der sich zunächst „eine kreative Auszeit“ nehmen möchte, ist überrascht von der Reaktion des Hauses. Schließlich hatte er das Material für sein Kunstwerk für rund 20 Euro im Discounter erworben. „Die Reaktion finde ich sehr cool und bin wirklich positiv überrascht. Ich werde sicher wiederkommen - und bestimmt auch einige Menschen, die mir folgen“, sagt der gebürtige Hagener.
Und das kann und soll er auch - mit einer geschenkten Jahreskarte vom Museumsdirektor. Mit der Voraussetzung: Batuhan Özer darf keinen Rucksack dabei haben.