Hamburg. Milberg ermittelt als Borowski, weil eine Frau nach einem Gangbang erschossen wird. Sahin fährt zum Sexparkplatz. Lohnt sich ARD-Tatort aus Kiel?

In „Borowski und das hungrige Herz“ ist sexuell einiges geboten. Natürlich beste-Sendezeit-kompatibel, was das Visuelle angeht. Bisschen Stöhnen, bisschen Reizwäsche (sagt man das noch?), aber wenig Haut. Begrifflich herrscht im neuen ARD-„Tatort“ aus Kiel Klarheit: Andrea Gonzor (Anna König) hatte vor ihrem Tod Sex mit mehreren Männern. Ein im Internet verabredeter Gangbang in der Wohnung der Steuerfachfrau, die am Tag nach der Gruppenliebe erschossen im Bett liegt.

ARD-Tatort aus Kiel: „Borowski und das hungrige Herz“ ist der vorletzte Fall für Axel Milberg

Themen-Durchdringer Borowski („Du kannst ja nach allem süchtig sein, Alkohol, Drogen, Fressen, Spiel, Arbeit – und auch Sex“) ermittelt im ARD-Tatort aus Kiel anschließend im Milieu des Sex- und Liebessüchtigen. Axel Milberg spielt Borowski, dessen letzter Fall am 16. März ausgestrahlt wird, in seinem 42. und vorletzten Fall (Regie María Sólrún Sigurðardóttir, Drehbuch Katrin Bühlig) einmal mehr als abwartenden, staubtrockenen und selbstverständlich auch ein klitzekleines bisschen langweiligen Kommissar: Er steht nur milde staunend vor den allzu menschlichen, in diesem Fall körperlichen Leidenschaften der Leute.

Frau hält Mann Waffe auf die Brust
Nele Krüger (Laura Balzer) lebt anders als ihre Freundin noch, ist aber verhaltensauffällig. Sie hat, zum Beispiel, plötzlich eine Pistole in der Hand. © NDR/Thorsten Jander | NDR/Thorsten Jander

Und Borowski lässt sich nie zu einem eindeutigen Urteil hinreißen, ist weder Spießer noch Verfechter amouröser Freiheiten. Als die verhaltensauffällige, sich im Laufe der Handlung als Stalkerin entpuppende Freundin der Toten, Nele Krüger (Laura Balzer), Borowski erklärt, dass promiske Männer als „tolle Hengste“, Frauen mit vielen Sexualpartnern aber als „Schlampen“ gälten, kommentiert der von Axel Milberg gespielte Kommissar das mit keinem Wort.

ARD-Tatort „Borowski und das hungrige Herz“: Almila Bagriacik geht als Sahin eigene Ermittlungswege

Vielleicht auch, weil er sich in dieser „Tatort“-Episode (mit musikalischem Bums: Haityis „100.000 Fans“ läuft einmal) bedeckt halten muss. Auch Nele Krüger gehört zu den Verdächtigen. Wer hat die Frau umgebracht, war es wirklich einer aus der Gangbang-Gang? War es „Goldener Reiter“, der „Wild Flower“ ermordete? Ein Zahnarzt und Ex-Partner (Peter Sikorski) läuft auch noch durch die Szenerie sowie ein Guns N‘ Roses verehrender, vom lauten Gerödel in der Wohnung über ihm enervierter Nachbar, dessen Interesse an Andrea Gonzor nicht zu ignorieren ist.

Borowskis Partnerin Sahin (Almila Bagriacik) alias „Pralle Praline“ geht eigene Ermittlungswege, um den Sexverrückten auf die Spur zu kommen. Es gibt einen Sexparkplatz, der auch in strömendem Regen aufgesucht wird. Sahin selbst mag es übrigens auch ein bisschen kinky im Bett und lässt sich deswegen auf ein altes Abenteuer ein.

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Kiel-Tatort (ARD): Am Ende macht Axel Milberg als Borowski Bekanntschaft mit Knarre der Verdächtigen

Das geheime Sexleben der Bürgerinnen und Bürger als Globalthema also. Oder: Das Private ist dann nicht mehr privat, wenn den Ohrenzeugen der Kopf dröhnt und am Ende eine tot ist. Andrea Gonzor („Jetzt stell dir mal vor, wie geil sich das anfühlt, wenn so was geladen unter deinem Bett liegt, während ein Typ sich auf dir abmüht“) hat bedauerlicherweise eine Pistole in ihrer Wohnung. Das wird ihr zum Verhängnis, und in einem wenig zögerlichen Psycho-Finale macht dann auch Borowski Bekanntschaft mit der Knarre.

Eine sensible Problemstudie Sexsüchtiger kann und will dieser solide unterhaltende Kriminalfilm nicht sein. Dass Liebe, in allen Facetten, wehtut, zeigt er aber fraglos.

„Tatort: Borowski und das hungrige Herz“ So 12.1., 20.15 Uhr, ARD