Berlin. Tragische Romanze, nicht chronologisch, sondern wild durcheinander erzählt: „We Live in Time“ mit Andrew Garfield und Florence Pugh.
Ins Kino zu gehen, um mal wieder so richtig zu weinen, scheint aus der Mode gekommen. Nick Cassavetes’ „The Notebook“ ist 20 Jahre her und hat keinen Nachfolger gefunden, der ein derart weites Spektrum sowohl des weiblichen als auch des männlichen Publikums zu Tränen rühren könnte. John Crowleys „We Live in Time“ immerhin will es versuchen und wartet mit zwei Schauspielern auf, die die Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens unterstreichen.
„We Live In Time“: Erst kommt das Ende, dann der Beginn
Florence Pugh und Andrew Garfield, beide mit Superhelden-Filmerfahrung, verkörpern hier ein Liebespaar, das gewöhnlich erscheinen soll – er als Angestellter in einer Cerealienfirma, sie als aufstrebende Restaurant-Köchin –, dem aber zugleich viel Schicksalhaftes zustößt. Worauf das tragische Ende hinausläuft, wird schon bald verraten.
Denn Crowley erzählt die Geschichte seiner Liebenden vom Kennenlernen über das Zusammenziehen und Kinderkriegen bis zum traurigen Schluss nicht etwa in chronologischer Reihenfolge, sondern bunt durcheinander gewürfelt. Von der Diagnose einer zurückkehrenden Krebserkrankung erfahren wir als Zuschauer, noch bevor geschildert wird, wie die beiden sich überhaupt kennengelernt haben. Von ihrem ersten schwerwiegenden Zerwürfnis über die Frage des Kinderwunschs hören wir erst, nachdem wir sie bereits mit ihrer Tochter Ella erlebt haben.
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Das Kunststück dieses Films besteht darin, dass diese Zeitcollage nie willkürlich oder verwirrend wirkt. Im Gegenteil: man findet sich gut zurecht in den verschiedenen Lebensaltern, besonders dank der kleinen Ella, deren Körpergröße wichtige Hinweise gibt.
Tieferes Verständnis durch die asynchrone Erzählweise
Aber tatsächlich auch am Schauspiel von Garfield und Pugh, die ihre Figuren mit solchen Nuancen ausstatten, dass man ihnen tatsächlich anzumerken meint, wie lang sie schon zusammen sind. Das Hin- und Herspringen in der Chronologie dient nicht zur Spannungserzeugung, sondern im Gegenteil mit dem Sichtbarmachen wiederkehrender Themen und Charaktereigenschaften zur Vertiefung des Verständnisses für die Zwei und ihre Liebe. Das lässt tatsächlich nicht unberührt.
Romanze, USA 2024, 108 min., von John Crowley, mit Florence Pugh, Andrew Garfield, Grace Delaney, Aoife Hinds