Köln. Heimspiel: Zwei Konzerte der Kölschrock-Legende in der Lanxess-Arena sind ein einziger Jungbrunnen für Wolfgang Niedecken, Band und Fans.
1546 zeigte der Maler, Grafiker und Buchdrucker Lucas Cranach der Ältere auf einem Tafelbild, wie man die verlorene Jugend wiedergewinnt: durch die Kraft des Wassers. 2024 setzt der Maler, Musiker und Sänger Wolfgang Niedecken stattdessen auf die Kraft der Musik. An zwei Tagen hintereinander, Donnerstag und Freitag, verjüngen er und seine Band 30.000 Menschen in der ausverkauften Lanxess-Arena. Die „Zeitreise“-Tour von BAP präsentiert neben den kompletten Alben „für usszeschnigge“ (1981) und „vun drinne noh drusse“ (1982) zehn weitere Songs aus der Frühzeit der Kölschrocker, darunter „Ne schöne Jrooß“ oder „Nemm mich met“.
Niedeckens BAP in Köln: Erinnerungen an Crosby, Stills, Nash and Young
„Ich habe gesehen, wie die Leute teilweise 40 Jahre jünger geworden sind“, sagt BAP-Chef Wolfgang Niedecken. Auch beim ihm, inzwischen 73 Jahre alt, ist das ein Jungbrunnen. Wenn er erzählt, wie er Anfang der Siebziger in der Küche in der Teutoburger Straße saß, mit seiner Gitarre, und „Cowgirl in the Sand“ von Crosby, Stills, Nash and Young nachspielen wollte, hört man plötzlich einen Twen reden: „Das Album konnte ich mir nicht leisten, das war zu teuer. Ich wusste nur, dass das Stück mit einem Moll-Akkord beginnt, und ich versuchte, das nachzuspielen – und da ist dann mein ganzer Liebeskummer reingeflossen.“ Das Ergebnis hieß „Helfe kann dir keiner“ – und kam aufs zweite BAP-Album „affjetaut“ (1980).
BAP-Klassiker auf Putin gemünzt
„Über 30 Musiker haben bei BAP mitgespielt“, resümiert Niedecken am Ende, „wir haben uns immer wieder verändert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir nie stehengeblieben sind und uns immer weiterentwickelt haben.“ Dass Texte zwar gleich bleiben können, aber plötzlich Aktuelles transportieren, zeigt „Zehnter Juni“, einst Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss: „Dann kam Putin mit seiner Teilmobilisierung daher, da haben sich jede Menge Russen vom Acker gemacht, und da hab’ ich mir überlegt: ,Ich muss mich nur in denen ihre Rolle versetzen, dann kann ich das wieder singen.‘“ Und in der Arena regt sich neuer, lauter Widerstand: „Plant mich bloß nit bei üch en…“.
In Sachen Songkenntnisse ist das Publikum kaum noch zu toppen. Es genügen Ansagen wie: „Männername mit vier Buchstaben“. Oder: „Frauennamen mit vier Buchstaben“. Und alle wissen: jetzt kommt „Jupp“. Oder jetzt kommt „Anna“. „Wellenreiter“ kriegen die Fans ganz alleine hin. Ohne den Mann mit dem Hut, dem Kinnbart und der Weste. Nur mit Band. Die teilweise, mit Bassist Werner Kopal und Keyboarder Michael Nass, schon seit Ende der 1990er an Bord – und ganz großartig ist.
Niedeckens BAP in der Lanxess Arena: 30 Songs in drei Stunden und 15 Minuten
Drei Stunden und 15 Minuten. Hört sich lang an. Ist es aber nicht. Die 30 Stücke werden in einem durchgespielt. Es gibt keine Pause, wie noch zu Beginn der Tour: „Die braucht doch kein Mensch, und ihr habt dafür auch die Kondition.“ Dank Niedeckens „Zeitreise“-Geschichten, die davon handeln, wo und warum welcher Song entstand (auch als Buch erhältlich) und der „Zeitreise“-Musik von BAP (schon Anfang Dezember ‘23 im Kölner Sartory-Saal als Live-Album aufgenommen) macht es „Wirrrrr“ – und der Abend ist vorbei.
Auf dem Heimweg hört man die Fans singen. „Wasch, wasch, wasch, wasch…“ singen sie. Und „Anna, Anna, drieh dich nit öm…“. Und „Verdamp lang her, verdamp lang, verdamp lang her“. Wobei das ja gar nicht stimmt. Es war doch erst gestern.
2025 setzen BAP ihre „Zeitreise“-Tour fort, erweitert mit Songs von „Zwesche Salzjebäck un Bier“ (1984). Termine: 7.6. Sparkassenpark Mönchengladbach, 16.8. Kunstrasen Bonn.