Berlin. Nach seinem Oscar-Erfolg mit „Im Westen nichts Neues“ wagt sich Regisseur Edward Berger in die Schlangengrube einer Papstwahl.

Es ist so weit, der Papst ist gestorben. Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) wird in die Privatgemächer im Vatikan bestellt und steht fassungslos vor dem Bett mit dem leblosen Körper des Kirchenoberhaupts. Der Stuhl Petri ist nun unbesetzt, in der Kurie spricht man von Sedisvakanz. Lawrence weiß genau, was nun ansteht, alles ist exakt geregelt. Der Kämmerer wird in Anwesenheit des Päpstlichen Zeremonienmeisters, der Prälate, des Sekretärs und des Kanzlers der Apostolischen Kammer den Tod des Papstes feststellen. Danach wird er dem Verstorbenen den Fischerring, das Signum seiner Macht, vom Finger ziehen und ihn zerbrechen, um Missbrauch zu verhindern.

Es gilt nun, das Konklave einzuberufen. Wahlberechtigt sind nur die Kardinäle unter 80 Jahren, die nun aus aller Welt anreisen, 20 Tage haben sie dafür Zeit. Sie werden in den Räumlichkeiten um die Sixtinische Kapelle eingesperrt und müssen dort bleiben, bis ein neuer Papst gewählt ist und dies mit weißem Rauch der Weltöffentlichkeit verkündet wird. Mobiltelefone und sonstiges elektronisches Gerät sind ebenso verboten wie jede Kontaktaufnahme nach außen. Etwas zutiefst Geheimnisvolles umwittert die Papstwahl bis heute, einige ihrer Details bleiben für Nichteingeweihte Spekulation.

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Aber vieles kann man auch in Erfahrung bringen. Der britische Journalist und Schriftsteller Robert Harris hat für seinen 2016 erschienenen Roman „Konklave“ akribisch recherchiert und viele Gespräche mit Insidern aus dem Vatikan geführt. Auf der Grundlage seiner Geschichte um Rituale, Versuchungen und Machtkämpfe entstand das Drehbuch für diesen Film, mit dem sich Regisseur Edward Berger einer luxuriösen und dennoch schwierigen Aufgabe stellt: Nämlich weiterzumachen nach dem enormen Erfolg seiner Remarque-Adaption „Im Westen nichts Neues“, die 2023 vier Oscars gewann und beim Deutschen Filmpreis im selben Jahr in fast allen Kategorien preisgekrönt nach Hause ging. Was kann da noch kommen?

Ein Kammerspiel, entstanden natürlich nicht in der historischen Kulisse des Vatikans, aber in verblüffend echten Nachbauten der römischen Filmstudios von Cinecittà. Wie die Kurie selbst verneigt sich Berger vor der Macht des Rituals und der Magie des Materials. Die Beschwörungskraft lateinischer Formeln, die Schwere edler Gewänder, die Choreografien des Glaubens: all das verleiht diesem Film auch eine investigative Aura – als würde man durch ein Schlüsselloch blicken. Und dabei zum Beispiel entdecken, dass einige Kardinäle zwischen den Wahlgängen mal kurz eine Zigarette rauchen oder ganz prosaisch in der Kantine Nachtisch essen.

Ein Lichtblick in der sinistren Männerrunde: Schwester Agnes (Isabella Rossellini).
Ein Lichtblick in der sinistren Männerrunde: Schwester Agnes (Isabella Rossellini). © Leonine | Focus Features

Die alltäglichen Banalitäten im Hochzeremoniell sind ein schöner Bruch, mit dem Berger immer wieder spielt. Aber natürlich hat er auch eine Geschichte zu erzählen. Denn ein Konklave ist vor allem ein Wettstreit um ein Amt, mit ambitionierten Bewerbern und ihren jeweiligen Unterstützern, mit Emissären zwischen den konkurrierenden Gruppen, kleinen Vertraulichkeiten, Intrigen, Flüstereien und allerlei sonstigen Machtspielchen. Als dem Dekan des Kollegiums fällt Lawrence dabei eigentlich eine neutrale Rolle zu. Und doch wird schnell klar, dass er der liberalen Fraktion um Kardinal Bellini (Stanley Tucci) zuneigt. Ihr geht es vor allem darum, einen Konservativen auf dem Stuhl Petri zu verhindern, der die bislang erreichten Reformen der Kirche rückgängig machen würde. Dafür steht vor allem der erklärte Fortschrittsgegner Tedesco (Sergio Castellitto), während den Kämmerer Tremblay (John Lithgow) vor allem von nacktem Machthunger getrieben scheint. Welche Aussichten hat Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati), der erste afrikanische Papst zu werden? Und schließlich gibt es noch den großen Unbekannten, der plötzlich auftaucht und alle verwirrt: Benitez (Carlos Diehz), der im Geheimen zum Kardinal von Kabul ernannt wurde.

Kraft der Beharrung: Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto, 2. v. l.)
Kraft der Beharrung: Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto, 2. v. l.) © Leonine | Focus Features

Die Wahlgänge strukturieren die Handlung. Auf kleinen Tribünen sitzen sich die Mitglieder des Kollegiums in der Sixtinischen Kapelle gegenüber, schreiben den Namen ihres Favoriten auf ein Kärtchen und schreiten zur Abstimmung. Nur eine Zweidrittel-Mehrheit kann die Entscheidung herbeiführen. Doch davon ist man zunächst weit entfernt. Sogar auf Lawrence, der das Amt gar nicht anstrebt, entfallen einige Stimmen. Sein Freund Bellini wird misstrauisch: Hat er eine versteckte Agenda?

Eine gute Frage. Die Nuancen des Undurchsichtigen beherrscht kaum ein Schauspieler so gut wie Ralph Fiennes, hier kann er sie voll ausspielen. Und sein Kardinal Lawrence braucht sie auch, um in der Schlangengrube zu überleben, in der er sich nun wiederfindet. Plötzlich gibt es Gerüchte, der ehrgeizige Tremblay sei kurz vor dem Tod des Papstes noch der Kardinalswürde enthoben worden, was dieser aber vehement bestreitet. Und warum kommt es zwischen einer der Nonnen, die die Kardinäle bewirten, und Kardinal Adeyemi plötzlich zum Eklat?

So viel kann man verraten: Die katholische Kirche, wie sie Harris ersann und Berger hier bebildert, ist vom Heiligen so weit entfernt wie der Petersdom von der Sonne. Einzig Schwester Agnes, gespielt von Isabella Rossellini in einer wunderbaren Nebenrolle, scheint gegen das Gift der Ränkespiele gefeit zu sein. Und dann meldet sich noch die Außenwelt mit einem lauten Knall zu Wort. „Konklave“ ist ein solider Thriller, der seine Spannung hält und vor allem durch Ausstattung und Besetzung überzeugt. Dass er sich am Ende ein wenig zu tief vor dem Zeitgeist verneigt, kann man ihm nachsehen.

Ab Donnerstag (21. November) im Kino.