Duisburg. Einst ein „Neuer Wilder“, heute ein Maler voller Ausdruckskraft, mit ungestümer Bildfindung: Barcelós „Vida y Muerte“ in Duisburg.
Wilde, ja wüste Farbschlieren auf der Leinwand, die sich von weitem zu Tisch-Ansichten oder schier explodierenden Stieren fügen, darauf oder darunter oft echte Nudeln, Essstäbchen, Fächer oder Zigarettenschachteln: Miquel Barceló, den heute 67-jährigen Maler, konnte man in den 80er-Jahren leicht für eine Variante der „Neuen Wilden“ halten, die spanische Antwort auf Baselitz, Immendorff & Co.
Längst aber ist der in Felanitx geborene Mallorquiner, der bis heute im Norden der Insel eine große Finca besitzt, ein gereifter, immer noch höchst energiegeladener Maler geworden, dem als erster lebender Künstler eine Einzelausstellung im Madrider Prado gewidmet war, in dem ansonsten Barcelos Ahnen von Velázquez über El Greco bis Goya versammelt sind. Nun ist seine erste Museumsschau in Deutschland zu sehen: „Vida y Muerte“, Leben und Tod in der Duisburger Küppersmühle.
Mallorca-Reisende könnten Barcelós Keramiken für die Kathedrale von Palma kennen. Andere haben seinen riesigen Bronze-Elefanten gesehen, der auf dem Rüssel steht und durch ganz Spanien tourte, bis er in New York auf dem Union Square zu sehen war. Ein Mini-Modell dieses schwebenden Riesen steht mit vielen anderen Skurrilitäten aus Barcelós Atelier (und atemberaubend schönen Skizzenbüchern) in einem Kabinett der Ausstellung, ähnlich wie einige Keramiken. Aber die Attraktion dieser Schau sind selbstverständlich die gemalten Riesenformate aus drei Jahrzehnten – von denen man viele so schnell nicht mehr wiedersehen wird, weil sie aus Privatbesitz geliehen sind oder vom Künstler selbst, der das eine oder andere Bild nicht auf den Markt geben mag. Oder es, wie die „Ungenießbaren Tomaten“ seiner Tochter zum 15. Geburtstag geschenkt hat. Aus dem Büro des Künstlers hat Kurator Kay Heymer die stürmische „Meeressuppe“ von 1984 bekommen können, aus der ein rot bemalter Riesen-Pfahl als hölzerner Löffelstiel über den Rand der Leinwand ragt.
Miquel Barceló legt einen Tiger über einen Schwertfisch
Das üblicherweise eher kleinformatige Stillleben hat Barceló in den letzten Jahren gern zu XXL-Formaten geweitet, bei ihm bersten die Tische vor Essbarem (anspielungsreich und voller Gegenbilder für alle, die sich im Genre auskennen), oft in der räumlichkeits- und tiefenfördernden Schräg-Ansicht. Die Farben variieren stark, mal sind die Dinge röntgenweiß auf dunklem, ja schwarzem Grund, mal auf türkisem Pastellton wie beim Tiger, der sich auf einen Schwertfisch legt, als sei der eine Hängematte. Eine ungeahnte Meisterschaft aber erreicht Barceló bei den vielen Tomaten auf seinen Bildern: Wie deren Fleisch in wildesten Rot-Tönen (von Altrosa über Granatapfelfeuerrot bis zur blassen Wassermelone) aus der Leinwand hervorwuchert – das macht ihm so schnell keiner nach.
Eine Ausstellung mit hohen Schauwerten, für einen wilden Sehgang.
Museum Küppersmühle, Philosophenweg 55, 47051 Duisburg. Bis 19. Januar 2025. Geöffnet: Mi 14-18 Uhr, Do-So 11-18 Uhr. Eintritt: 8 €, erm. 4 €. Inklusive Dauerausstellung: 14 €, erm. 7 €; bis 16 Jahre frei. Der Katalog (Wienand Verlag) umfasst einen Essay von Clemens J. Setz.
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