Essen. Seit Wochen in den Bestseller-Listen, Liebling von Denis Scheck und Elke Heidenreich: Genug Gründe, sich Prada zu gönnen, findet Caroline Wahl.

Sie ist eine der erfolgreichsten Nachwuchs-Autorinnen des Landes, ihr zweiter Roman „Windstärke 17“ stürmte kurz nach der Veröffentlichung auf Platz 1 der Bestsellerliste, wo auch ihr Debüt „22 Bahnen“ noch immer vertreten ist. Im Interview spricht Caroline Wahl (29) über falsche Bescheidenheit, Lob von Elke Heidenreich und erklärt, woher ihr Interesse an brüchigen Biografien rührt.

In einem recht emotionalen Instagram-Post hast du deiner Enttäuschung Luft gemacht, nicht für den Deutschen Buchpreis nominiert zu sein. Warum war es dir so wichtig, auf der Longlist zu stehen?

Caroline Wahl: Ach, so wichig war es mir gar nicht. Es geht mir eher darum, vom Literaturbetrieb ernst genommen zu werden. Ich bekomme viele gute Rückmeldungen von den LeserInnen und das ist wichtig. Aber der Buchpreis ist eben auch die größte Auszeichnung für AutorInnen in Deutschland. Und ich glaube, jeder Autor, der nach einer erfolgreichen Buchveröffentlichung nicht enttäuscht ist, wenn er da nicht draufsteht, der lügt. Mich hat die Reaktion auf meinen Post auch total gewundert. Wut und Enttäuschung sind ja keine falschen Gefühle. Dass dann alle aufschreien, wenn man etwas Offensichtliches öffentlich zugibt und dazu steht, sagt viel aus über unsere Kulturlandschaft. Und auch dieses transportierte Bild der bescheidenden Schriftstellerin finde ich doof. Man kann ruhig mutig sein und wenn man mal was Falsches sagt, steht man halt dafür ein.

Portraits
Autorin Caroline Wahl steht aktuell gleich mit zwei Romanen auf der Bestsellerliste. © Dumont Buchverlag | FREDERIKE WETZELS

Zu sagen, der Literaturbetrieb nehme dich nicht ernst, stimmt ja nicht ganz: Literaturkritiker Denis Scheck lobt deinen Stil, Elke Heidenreich schrieb über deinen zweiten Roman „so wunderbar wie das erste Buch“.

Das freut mich voll. Wenn die beiden mein Buch als gut empfinden, ist mir das schon wichtig, weil man eben auch die Bestätigung von dieser Seite braucht und einem das Sicherheit gibt. Viele Leserinnen und Leser zu haben, das ist das Wichtigste und Schönste. Menschen, die die Figuren im Buch so lieben, wie man sie selbst liebt. Dennoch ist es natürlich ein Ritterschlag, wenn Elke Heidenreich mein Buch gefällt.

Eine Autorin, die offen über ihren Erfolg spricht, da haben einige die Nase gerümpft. Ist dir der Literaturbetrieb zu abgehoben?

Ja, und da möchte ich gerne gegenarbeiten. Diese Angst, etwas Falsches zu sagen. Diese Blicke und dieser stille Vorwurf, dass der Erfolg nicht verdient sei oder andere ihn mehr verdient haben. Es ist einfach eine komische Stimmung und das ist nicht cool. Ich fänd‘s schön, wenn ich zu denjenigen gehöre, die da etwas mehr Entspannung und Ehrlichkeit reinbringen.

Du versteckst deinen Erfolg nicht, im Gegenteil. Findest du, dass Frauen viel zu oft zu bescheiden sind?

Voll! Und wenn ich dazu beitragen kann, dass nur ein junges Mädchen durch mein Verhalten dazu ermutigt wird, selbstbewusster aufzutreten und zu zeigen, was es kann, dann hat sich schon alles gelohnt. Es ist wirklich die falsche Zeit, um bescheiden zu sein. Und dass das erwartet wird, kann ich überhaupt nicht verstehen. Und wenn ich Menschen damit ärgere, feuert mich das nur noch mehr an, mir einen Sportwagen oder so zu kaufen. Also habe ich nicht, weil ich nicht so viel Geld für ein Auto ausgeben möchte. Aber da geht es mir ums Prinzip. Natürlich darf ich stolz sein. Auch und vor allem als Frau. Wenn man sich anstrengt und für seine Träume kämpft und es klappt, darf man das auch zeigen und prahlen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Deinen Erfolg hast du den beiden Schwestern Ida und Tilda zu verdanken, von denen sowohl dein Debüt „22 Bahnen“ als auch der Nachfolger „Windstärke 17“ handeln. Warum wolltest du die Geschichte der beiden Schwestern noch weiter erzählen?

Am Ende des Schreibprozesses von „22 Bahnen“ hat es mich sehr beschäftigt, dass Ida mit der alkoholkranken Mutter allein bleibt. Das hat in mir den Wunsch geweckt, von der erwachsenen Ida zu erzählen. Da war meine Lektorin noch nicht so on Fire - zumal da noch nicht klar war, dass das Debüt so erfolgreich wird.

Ist ein dritter Roman aus dieser Reihe für dich denkbar?

Portraits
Autorin Caroline Wahl liest bei der Lit.Ruhr aus „Windstärke 17“. © Dumont Buchverlag | FREDERIKE WETZELS

Also jetzt kommt erst einmal etwa ganz anderes. Dazu darf ich noch gar nichts verraten, vermutlich ab Frühjahr werde ich mehr dazu sagen können. Das Buch wird im Herbst 2025 erscheinen. Aber ich mache die Tür zu Ida und Tilda auf keinen Fall zu und fände es schön, nochmal in den Kosmos einzutauchen und vielleicht eine weitere Figur enger zu begleiten. Ich bin ja gerne in der Welt der beiden Schwestern.

Eine Welt, die auch von der Alkoholsucht der Mutter geprägt ist. Woher rührt dein Interesse an brüchigen Biografien?

Als ich mit „22 Bahnen“ angefangen habe, ging es mir schlecht. Ich hing in einem Kack-Job in Zürich fest. Und ich dachte damals: Wenn ich schon mal hier bin, schreibe ich auch einen Roman von Anfang bis Ende. Ich wollte eine zeitlose Geschichte mit einer coolen Heldin schaffen, da haben mich etwa Alina Bronskys „Scherbenpark“ und „Das Mädchen“ von Angelika Klüssendorf inspiriert. Auch sie schreiben über starke Heldinnen aus schwierigen Verhältnissen, die ambivalent sind: einerseits hart und fast brutal und auf der anderen Seite haben ihre Protagonistinnen etwas Verträumtes und Liebevolles, fast Zärtliches. Ich wollte auch so eine Figur erschaffen und so kam es zu Tilda. Ich hatte damals Umgang mit einer alkoholkranken Person, das hat sich dann auf „22 Bahnen“ ausgewirkt. Schreiben bedeutet für mich auch immer, sich Räume zu erschließen, die ich noch nicht kenne. Und auch empathischer für andere Menschen und deren Leidenswege zu sein. Meistens passiert so etwas aber einfach, wenn ich mich der Person annähere.

Mehr zum Thema

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher der Lit.Ruhr, wenn du aus „Windstärke 17“ liest?

Ich hoffe, dass wir gemeinsam viel Spaß mit Ida auf Rügen haben. Mich freut es immer, wenn Leute mir bei Lesungen bestätigen, nochmal voll in die Geschichte eingetaucht zu sein. Und im besten Fall sind wir dann alle nochmal an der Ostsee.

Das du offenbar liebst: Du kommst aus Heidelberg, lebst mittlerweile in Rostock, hast den Sommer zum Schreiben in deinem Camper an der holländischen Küste verbracht. Wie wichtig ist das Leben am Meer für dich?

Ja, das ist jetzt mein Fixpunkt und mein Zuhause. Das gibt mir so viel auch in stressigen Zeiten, das merke ich, wenn ich von stressigen Lesereisen zurück kommen. Das will ich immer haben. Ich ziehe jetzt nach Kiel um, weil ich einfach mal wieder eine andere Stadt brauche. Aber da bleibe ich weiter am Wasser. Das ist eines meiner Ziele irgendwann, in einem Haus direkt am Meer zu leben.

Ist Stress eine der negativen Seiten deines Erfolgs?

Als ich so 150 Lesungen hatte, das war zu viel. Vor allem das Alleinsein im Hotel hat mich fertig gemacht. Da fragst du dich dann schon manchmal, was du hier eigentlich machst. Aber es ist ein guter Stress, weil das natürlich alles Spaß macht, vor allem der Austausch mit den LeserInnen. Inzwischen habe ich gelernt und lege da ausreichend Pausen ein. Ich komme mit dem Stress mittlerweile auch besser zurecht als noch vor einem Jahr.

Buch und Lesung

In ihrem zweiten Roman „Windstärke 17“ erzählt Caroline Wahl, wie es Ida – die jüngere Schwester von Tilda aus ihrem Debüt „22 Bahnen“ – mit dem Leben aufnimmt. „Ein aufwühlender, intensiver und dabei ungemein tröstlicher Roman über Töchter, Schwestern und Mütter, über vermeintliche Schuld und das Verzeihen – sich selbst und den anderen“, heißt es in der Beschreibung. 256 Seiten,
ISBN: 978-3-8321-6841-4, 24 Euro (Hardcover).

Wer Caroline Wahl live erleben will: Im Rahmen der Lit.Ruhr liest die Autorin am Sonntag, 13. Oktober, um 17 Uhr in Halle 5 auf Zollverein. Tickets kosten 18 Euro im Vorverkauf.

Wer sind denn deine typischen Leserinnen und Leser?

Ach, da bin ich dankbar, weil das wirklich sehr gut gemixt ist. Das sind einerseits ganz junge Menschen, aber auch Großmütter, die die Bücher für ihre Enkel kaufen oder auch selbst lesen. Das ist es, was ich wollte: Zeitlose Geschichten erzählen und Werte vermitteln, die mir wichtig sind und die jeden und jede etwas angehen. Ich mag es, wenn Grenzen überschritten werden und will auf keinen Fall nur für meine Bubble schreiben.

Wen meinst du mit deiner Bubble, deine Generation?

Ja, wobei ich mich der gar nicht so zugehörig fühle. Man kann Generationen nicht generalisieren. Natürlich gibt es Fixpunkte, an die sich jeder aus einer Generation erinnert. Wenn aber Menschen von Gen X, Y, Z reden, dann finde ich es schwierig, eben, weil man eine ganze Generation nicht vereinheitlichen kann.