Moers. Eine herrlich frische Open-Air Inszenierung begeistert das Premierenpublikum in Moers. Vier Schauspieler schlüpfen in 20 Rollen.

Sie wollten immer schon mal eine Nacht mit Shakespeare verbringen? So ganz verwunschen, draußen, wenn es dämmert, verliebte Täubchen in den Wipfeln gurren und selbst die Frösche am See keinen Hehl daraus machen, dass jedes Wesen Liebe braucht?

Moers: Publikum jubelt über „Sommernachtstraum“ Open-Air

Für solche Begehrlichkeiten hat der Theatergott ein Herz. Er schickt uns Ulrich Grebs Inszenierung vom „Sommernachtstraum“. Seit Sonntag zu sehen am Moerser Schlosstheater. Der Abend schenkt der taufrischen Schauspiel-Saison einen prachtvoll zeitgenössischen Shakespeare-Abend.

„Ein Sommernachtstraum“ in Moers: Unser Bild zeigt Leonardo Lukanow (Demetrius) und Ludwig Michael (Lysander) draußen im Schlosspark.
„Ein Sommernachtstraum“ in Moers: Unser Bild zeigt Leonardo Lukanow (Demetrius) und Ludwig Michael (Lysander) draußen im Schlosspark. © fotostudnar - Jakob Studnar | Jakob Studnar

Wie praktisch, dass direkt ans kleinste Stadttheater NRWs direkt ein herrlicher alter Baumbestand grenzt, weitläufige Wiesen, ein See. Denn es ist ja der Wald (wenn auch der von Athen), von dem sich das vor allem aus hormonellen Gründen völlig verzweifelte Personal von Shakespeares Traumspiel Schutz verspricht - für Eros und alles Verbotene. Den nutzt Greb (Anfang und Ende sind eine gute halbe Stunde im Theater) mit 90 Minuten, die uns alle zu Flaneuren und Voyeuren in Wald und Wiese machen.

Da steigt Feenkönigin Titania (selbst Opfer der Liebestrank-Intrige ihres Gatten Oberon) mit einem zum blöden Esel verwandelten Handwerker in den Kahn (wir steh‘n am Ufer in diesem zauberhaft schönen Moment). Da purzelt Blödel-Elf Puck in zig Rollen seitwärts über den Rasen, breitet die Geisterwelt silbrig ihre raschelnden Flügel aus. Da seufzt es liebestrunken aus tiefstem Herzen, wenn dieses Organ nicht gerade in die für Shakespeares Komödie kaum weniger wichtige Unterhose gerutscht ist. Und wir? Mittendrin, idealerweise mit einem Pullover und etwas Tinktur gegen die Mücken.

Matthias Heße ist  unter den alten Bäumen des Moerser Schlossparks der Elfenkönig Oberon in William Shakespeares „Sommernachtstraum“.
Matthias Heße ist unter den alten Bäumen des Moerser Schlossparks der Elfenkönig Oberon in William Shakespeares „Sommernachtstraum“. © fotostudnar - Jakob Studnar | Jakob Studnar

„Der Sommernachtstraum“ hat viele Rollen. Greb ist nicht der erste, der sie extrem verdichtet. Das hochzeitende Athen in Form von Herzog Theseus und Königin Hippolyta ist zugleich Oberon und Titania, Regenten im Elfenreich. Wie oft an diesem am Ende lauthals bejubelten Abend lässt die Regie hier ab von der Geschlechterordnung. Matthias Heße ist (komplett moralbefreit) die Amazonenkönigin, Joanne Gläßel hat die Herrscher-Hose an.

„Sommernachtstraum“ in Moers: Besetzung ohne Kettung an Geschlechter

Das geht so weiter. Im wilden Wirbel der jungen Paare steigt durchaus mal ein Herr ins Mieder. Das spielt das Ensemble (Greb bindet die ehrgeizigen Amateure seines „Jungen Theaters“ vielgesichtig ein) mit einer so überrumpelnden Natürlichkeit, dass ein Kuss unter Männern die reine Wald-und-Wiesen-Emotion ist. All das im wie so oft brillanten Bühnenbild Birgit Angele, die indoor einen dekadenten Disco-Keller anlegt, draußen den Wald mit luftigen Skulpturen beseelt.

Intendant Ulrich Greb inszeniert: Shakespeare für alle

Mögen Puristen zucken. Aber das ist ein Shakespeare, wie er dem Titanen aus Stratford gefallen hätte. Greb trägt kein Heiligtum der Literatur ins Freie, er gibt richtig Gas. Auch nach 22 Jahren als Kultur-Kastellan dieser Bühne ist er der mitreißende Ideenfeuerwerker geblieben. Keine Szene, die nicht den doppelten Boden der Ironie hat. Greb torpediert lustvoll den hohen Theaterton. Es kalauert („Hier bin ich Mensch, hier dring ich ein“). Es hagelt Seitenhiebe auf aktuelle Regiemoden. Und vom Himmel fallen in Frank Günthers straff-taffe Shakespeare-Übersetzung Schlagerzitate von Marianne Rosenberg und einer Dame namens Fischer. Kein Wunder, dass ein angetörnter Athener da durch die Nacht „Helene“ ruft - und Helena meint.

Shakespeare in Moers: frivol und bitterböse, albernd und tiefgründig

Der Abend ist eben der ganze Shakespeare: Er ist frivol und melancholisch, zügellos und unbändig, er ist tiefernst, ist albern und (im Finale) bitterböse. Das fabelhafte Ensemble (auch mit den Laien hat Greb gut gearbeitet) gibt sich ihm in gewaltiger Spiellust hin. Alle sind stark, extrem begeistert als Komödienritter von der tragischen Gestalt (Lysander/Handwerker Zettel) der junge Ludwig Michael.

Was für ein Start im kleinen Moerser Theater. Hingehen!, so lange wir Wetter haben für große Gefühle.

Sommernachtstraum: Daten & Karten

Schlosstheater Moers: Ulrich Greb inszeniert „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare. Ca. zwei Stunden, keine Pause. Die Aufführung findet auch bei kühlem Wetter statt. Wetterfeste und warme Kleidung wird empfohlen.
Termine: 14., 15., 27. 28. 9. 2.10. Tickets: 27€, ermäßigt 11.

www.schlosstheater-moers.de