Essen. Die großzügig angelegte Ein-Raum-Ausstellung mit 34 Bildern aus dem Museumsbestand ist die fünfte und wird für neue Frank-Fans sorgen.
Schauen Sie nur mal dem Tankwart von Truchas/New Mexico in die Augen! Ach was, es geht ja gar nicht anders, wenn man vor dieser Fotografie von Robert Frank aus dem Jahr 1955 steht. Wer sie in den Blick nimmt, verliert sich unweigerlich in dem rabenschwarzen Blick dieses schmalen Kerls, der da mit flüchtig geknöpfter Jacke und einem Riss im Hosenbein vor einem steht. Der milchweiße Himmel dahinter steht für absolute Leere, hier geht es in den Kosmos, der Horizont ist diffus, als ob nicht sicher sei, dass es dahinter wirklich weitergeht. Dieser Tankwart guckt uns an, wie er die Zapfpistole hält, ist reine Show. Niemand würde so tanken.
Robert Frank hat für eine Serie in New York aus Bussen heraus fotografiert: „From The Bus“ besitzt das Museum Folkwang vollständig
Robert Frank, der in diesem November 100 Jahre alt werden würde, wenn er nicht 2019 gestorben wäre, war tatsächlich ein Jahrhundertfotograf. Sein Bildband „The Americans“, der 1958 erst in Frankreich und zwei Jahre später in den USA herauskam, war eine Zeitenwende in der Geschichte der Fotobücher. Frank, der als deutsch-schweizerischer Jude 1924 in Zürich zur Welt gekommen war und 1947 in die USA auswanderte, hatte das Guggenheim-Stipendium bekommen und war quer durch sein neues Heimatland gereist, hatte über 700 Filme belichtet, rund 27.000 Negative gesichtet, um am Ende dann 83 davon in sein Buch aufzunehmen.
Die Zeitgenossen schätzten es nicht sonderlich, manche Aufnahmen waren sogar unscharf, und Robert Frank zeigte Menschen im Alltag, mehr aber noch die Atmosphäre eines Landes aus einer sehr persönlichen Perspektive: Rentner in Florida, Verkaufsstände am Hoover Dam in Nevada mit einem Bild vom Bomben-Pilz eines Atomtests.
Dafür, dass Robert Frank auch hierzulande einen echten Namen bekam, hat nicht zuletzt das Essener Folkwang Museum mit seiner langjährigen Foto-Chefin Ute Eskildsen gesorgt. Vier Ausstellungen widmete das Haus dem Ausnahme-Künstler; die erste 1987, die letzte 2015 mit einem Rückblick auf fünf Schaffensjahrzehnte, sie wurde sogar von Frank selber zusammen mit dem Göttinger Fotobuch-Verleger Gerhard Steidl konzipiert. Und nun gibt es in der Ein-Raum-Schau „Be happy“ 34 der 46 Frank-Fotografien in der Folkwang-Sammlung zu sehen, dazu seinen ersten Videofilm „Home Improvements“ („Haus-Verbesserungen“) aus dem Jahr 1985 und etliche Dokumente über die vier Frank-Ausstellungen. Frank wandte sich schon früh dem Film zu, der Streit um seine Konzert-Doku „Cocksucker Blues“ über die Rolling Stones von 1972 wurde legendär.
Für Robert Frank war Henri Cartier-Bresson erst ein Vorbild, dann ein Rivale
Robert Frank war nicht weniger ein Fotograf des Augenblicks als sein Vorbild Henri Cartier-Bresson, der im Laufe der Zeit zu einem Rivalen wurde. „Den entscheidenden Moment gibt es nicht, man muss ihn herbeiführen,“ war einer der Glaubenssätze von Frank. Und mit seiner Serie „From The Bus“, für die er in New York aus Bussen heraus fotografierte, unter anderem nur die aus dem Fenster ragende Hand eines Busfahrers mit Zigarettenstummel zwischen Daumen und Zeigefinger. Aber da sind auch Reisende mit riesigen Koffern, eine Mama mit ihren zwei Kindern an der Hand, da ist der Typ mit der ganzen Sicherheit des saturierten Geschäftsmanns im Wintermantel, aber auch der unendlich viel coolere Schwarze mit den Händen in beiden Hosentaschen, der seinen gespannten Körper in den Laderaum eines Transporters hineinbiegt.
Eine Ausstellung für Frank-Fans und alle, die es werden wollen.