Dortmund. Alice Merton und „Fanta 4“ sind am zweiten Abend des EM-Konzertes im Westfalenpark aufgetreten. Dabei gab es auch eine Song-Premiere.

„Herzlich willkommen an diesem grandiosen Sommerabend“, begrüßt der Moderator die Menge im Dortmunder Westfalenpark. Das Wetter ist endlich wieder besser, nachdem am Vortag die Konzerte von Clueso und Michael Schulte ins Wasser – besser gesagt in den Nieselregen – gefallen waren. Heute ist der zweite Tag des Euro-Konzertes auf dem Dortmunder Public-Viewing-Gelände.

Euro Festival in Dortmund: Westfalenpark mit 14.800 Besuchern ausverkauft

Weil die Sonne sich zeigt, ist auch die Stimmung gut: Der gestern noch matschige Boden ist mit Rindenmulch ausgelegt und jetzt trocken, der Park ist besser besucht als am Vortag. Ausverkauft, um genau zu sein. 14.800 Menschen haben eine Karte für den Konzertabend gekauft. Der Eintritt kostet bloß fünf Euro, das Event ist von der Stadt Dortmund zur Heim-EM organisiert worden.

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Bevor es Zeit ist, sich zu verabschieden – von dieser Fußball-EM im eigenen Land, der Public-Viewing-Zone in Dortmund und dem Traum vom Titel – wird erst mal die deutsch-britische Singer-Songwriterin Alice Merton unter Applaus auf der Bühne willkommen geheißen. Tickets für Mertons Konzerte kosten normalerweise um die 80 Euro, wer heute da ist, kommt deutlich günstiger weg.

Alice Merton singt über Herzschmerz, Freundschaft und die Gefühlswelt junger Menschen. Ihr Song „The Other Side“ (Die andere Seite) handelt zum Beispiel davon, wie es ist, sich an einem emotionalen Tiefpunkt zu befinden und sich daran zu erinnern, dass es irgendwann wieder besser wird. In „Waste My Life“ (Mein Leben verschwenden) singt sie darüber, mit ihren Freunden unbeschwert das Leben zu genießen. In „Run Away Girl“ (Lauf weg, Mädchen) geht es darum, jung und orientierungslos zu sein. Während Merton auf der Bühne hüpft, tun ihr das nicht nur die Fans gleich, sondern auch metergroße, luftgefüllte Plastikbälle, die von links nach rechts und von vorne nach hinten durchs Publikum geschleudert werden.

Alice Merton bei Konzert in Westfalenpark: Deutsche sind ihr zu ernst

Der wohl bekannteste Song der 30-Jährigen: „No Roots“ (Keine Wurzeln). In dem Pop-Hit, der seit 2016 im Radio rauf und runter gespielt wird, geht es um das Gefühl, sich nirgendwo auf der Welt zu Hause zu fühlen. Eine Empfindung, die die Deutsch-Britin kennen dürfte: Geboren in Frankfurt, lebte Merton in Kanada, bis sie 13 Jahre alt war. Zum Studieren kam sie nach Deutschland zurück, inzwischen wohnt sie in London. Merton kann fließend Deutsch, Englisch bleibt aber ihre Muttersprache, sagt sie: „Es ist immer ein Mix aus Deutsch und Englisch. So funktioniert mein Gehirn“, erklärt sie auf der Bühne und lacht.

Ihr Vater habe ihr geraten, ihr England-Trikot zum Konzert anzuziehen, sagt sie. Am Sonntagabend trifft die englische Fußball-Nationalmannschaft im EM-Finale auf Spanien. Sie sei aber erleichtert, sich dagegen entschieden zu haben – als sie fragt, wie viele England-Fans es im Publikum gibt, meldet sich nämlich bloß eine einzige Person. Mertons Outfit ist aber dennoch ein Hingucker: Sie trägt eine bauchnabelkurze Weste, Shorts und Western-Chaps, alles aus Jeansstoff. Ihr langes, braunes Haar ist zum Pferdeschwanz zusammen gebunden.

Das ehemalige „The Voice“-Jurymitglied hat in Mannheim Komposition und Songwriting studiert. Die ersten Jahre in Deutschland seien aber ein Kulturschock für sie gewesen, erzählt sie auf der Bühne – die Menschen hierzulande seien ihr so ernst vorgekommen. Ein Anlass für sie, den Song „Why So Serious“ (Warum so ernst?) zu schreiben, in dem sie dafür plädiert, das Leben locker zu nehmen und Spaß zu haben.

„Fanta 4“ singen unveröffentlichten Song bei Konzert im Dortmunder Westfalenpark

Das Publikum im Westfalenpark scheint diese Botschaft zu verstehen, hier geht es alles andere als ernst zu. Tausende junge Fans tanzen ausgelassen zu den elektrifizierenden Beats, reißen die Hände in die Höhe, heben sich gegenseitig auf die Schultern. Ein ungefähr vierjähriges Kind thront auf den Schultern seines hin und her wippenden Vaters und trägt große, neongrüne Kopfhörer über den Ohren.

Jung und Alt warten hier aber noch auf einen letzten Act. Kurz nachdem Merton die Bühne verlässt, stürmen Thomas D., Smudo und Michi Beck von den „Fantastischen Vier“ hinauf: Die Hip-Hopper bilden den krönenden Abschluss des Euro Festivals im Westfalenpark. Und obwohl sie schon seit 36 Jahren im Musikgeschäft sind, scheint diese Atmosphäre ihnen besonders gut zu gefallen: „Wir haben mit gar nichts gerechnet und jetzt dieses geile Ding hier!“, ruft Smudo. „Statt Public Viewing dürfen wir hier rumhampeln!“

Auch eine Band, von der alle nur die älteren Songs hören wollen, bringt mal ein neues Album heraus: Weil am 4. Oktober ihr neues Album „Long Player“ erscheint, geben die Männer von „Fanta 4“ jetzt schon mal einen unveröffentlichten Song zum Besten. Er heißt „44.000“, eine „Power-Rap-Ballade“, finden die Bandmitglieder.

Nach diesem kurzen Ausflug in die Zukunft geht es aber schnellstens wieder in die Vergangenheit: Die Musik-Urgesteine spielen Dauerbrenner wie „MfG – Mit freundlichen Grüßen“, „Einfach sein“, „Danke“ oder „Gebt uns ruhig die Schuld“, währen am wolkenlosen Dortmunder Himmel die Sonne untergeht. 14.800 Menschen im Westfalenpark tanzen, singen mit und feiern. Mit den Worten der Hip-Hop-Gruppe: „Wir sehen klasse aus, die Masse rastet aus.“