Köln. Wild, spontan und fantastisch - zwei Stunden lang gehört der 57-jährigen Frontfrau von Garbage am Freitagabend die Bühne im E-Werk.

Gibt es noch Tourbusse? Und wenn ja: Hat diese Band einen? Sollte sie einen haben, ist es nicht weit zur Überzeugung: irgendwo im Bus steht diese Kiste. Es ist eine ziemlich große Kiste, mehr Schrank als Truhe, und sie hat schon einiges mitgemacht. Vielleicht ist sie von oben bis unten mit altersmürben Aufklebern bedeckt, vielleicht klemmt sie mittlerweile ein bisschen, vielleicht quietscht sie, wenn man den Deckel aufmacht. Um darunter meter- und bahnenweise Stoff zu offenbaren. Tüll in allen Farben des Regenbogens, gerüschter Glitzerfludder, gesteppter Schimmerkram. Vor jedem Auftritt greift Shirley Manson ein paar Mal hinein. Und genauso sehen ihre Bühnenoutfits aus.

Wild, spontan und fantastisch. Was, in Kürze, auch eine gute Beschreibung für die inzwischen 57-jährige Frontfrau von Garbage wäre. Fast zwei Stunden lang gehört Freitag die Bühne im ausverkauften E-Werk ihr. Zwar sind da noch ihre Bandkollegen Duke Erikson (73), Steve Marker (65) und Butch Vig (68) und die neue Tourbassistin Ginger Pooley (47) – die allesamt mit reichlich Applaus bedacht werden – aber die Katzenkajaläugige im Tüllgehülle mit ihren blutroten Lippen und den straff zum Pferdeschwanz zurückgebundenen blonden Haaren zieht eindeutig alle Blicke auf sich.

Die hätte sie aber auch dann verdient, wenn sie ihren Auftritt schlicht im kleinen Schwarzen oder, noch schlichter, in Jeans und T-Shirt, absolvieren würde. Was zwar die Kiste im Tourbus überflüssig machen würde, aber nicht die folgenden fünf Worte: Diese Frau hat es drauf. Über ihre Stimme, die nie nur Stimme ist, sondern immer auch Stimmung, könnte man Rockromane schreiben. So voller Dramatik, Leidenschaft und Leiden, Kraft, Wut und Widerspruchsgeist, wie sie ist. So fordernd, flehend und flamboyant, hoch fliegend und tief eintauchend in das, was Musik im Innersten ausmacht: Gefühl.

Garbage auf der Bühne - das E-Werk rast

Und darüber, was ihr einst, als sie 1994 bei Garbage einstieg, nachgesagt wurde – sie sei, als (damals noch) „rothaariger Vamp“ lediglich das Aushängeschild der von Erikson, Marker und Vig gegründeten Gruppe – könnte man sich heute noch ärgern. Weil die Texte der Stücke, mit denen Garbage international Erfolge feierten, allesamt von ihr sind. Stücke wie „Milk“ und „I’m Only Happy When It Rains“, die in Köln erst als Zugaben zum Zug kommen. Wie in „Milk“ mit drei Farben und wenigen Worten alles Weh des Wartens ausgelotet wird, ist genial. Und die Widersprüchlichkeiten des Wollens, aber Nicht-Kriegen-Könnens wurden nie besser beschrieben als in „I’m Only Happy When It Rains“: „Why it feels so good to feel so sad?“ Warum fühlt es sich so gut an sich so traurig zu fühlen?

Fürs Publikum fühlt es sich rundum gut an. Das E-Werk rast. Manson, die Schottin in der US-Band, garniert ihre Ansagen reichlich mit dem F-Wort, gibt sich auch sonst recht rustikal. Nur einmal wird sie doch sehr ernst. Wenn sie „Metal Heart“ den Kindern widmet, die in den Kriegen dieser Welt von Bomben getötet werden: „Es ist unsere Schuldigkeit, Kinder zu schützen. Immer.“