Essen. Wäre er mal lieber direkt im Zahndöschen gelandet: Warum ein ausgefallener Milchzahn in der Familie unseres Autors fast eine Krise auslöste.

In der Mustervorstellung einer Familie werden Milchzähne in einem Holzdöschen mit eingraviertem Namen aufbewahrt. Ich hatte auch mal so eines, nicht mit Namensgravur, aber mit einem freundlichen Gesicht. Und auch für meine Kinder hatten wir mal welche besorgt. Wo die nur abgekommen sind? Ich glaube, meine Eltern wissen genauso wenig, wo unsere Döschen von früher sind. Aber eines mit den ersten Zähnen unseres früheren Hundes Gundi, das habe ich wohl mal in einem Schrank entdeckt.

Neue Funktion für den Frühstücksbehälter

Abgesehen davon, dass die meist schön im Regal präsentierten Döschen sowieso nicht zu unserem Fantasiekonzept zu Hause passen – schließlich lagert die Zahnfee die Zähne nicht in in einem Behälter, sondern baut daraus milchweißglänzende Schlösser –, würde man die Milchbeißer selbstverständlich nicht einfach so wegwerfen oder gar den Abfluss herunterspülen. Es sei denn, man ist meine Tochter. Sie trug ihren gerade ausgefallenen Schneidezahn stolz an einer Zahn-Kette spazieren, die sie bekommen hatte, als ihr beim Zahnarzt ein besonders hartnäckiges Exemplar entfernt werden musste. Dummerweise handelte es sich aber um ein etwas billiges, schwer verschließbares Produkt. Also passierte, was passieren musste: Der Zahn trat seine Reise durch die Kanalisation an.

Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Kolumnist Gordon Wüllner-Adomako erzählt seit 2014 von seinem Leben als zweifacher Vater und Ehemann. 
Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Kolumnist Gordon Wüllner-Adomako erzählt seit 2014 von seinem Leben als zweifacher Vater und Ehemann.  © Funke Grafik NRW | Catharina Maria Buchholz

Das Entsetzen war groß. „Geh du hoch in dein Zimmer, ich schaue, dass ich den Zahn rausbekomme“, sagte ich zu meiner schluchzenden Tochter. Im Lügen sind wir Eltern, wir Fantasiegeschichtenerzähler, nun mal erstklassig. Also griff ich in die Tupperbox oben rechts im Badezimmerschrank (weitaus unauffälliger als ein Zahn-Döschen) und holte von dort einen alten Milchzahn hervor, den ich Melia überzeugend als ihren frisch ausgefallenen Kandidaten verkaufte. Vielleicht ist es aber auch endlich an der Zeit, ihr die Wahrheit zu erzählen. Dass die Zahnfee die Zähne nicht mitnimmt, sondern den Eltern zurückgibt, damit sie schöne Döschen kaufen können. Oder neue Funktionen für ihre Frühstücksbehälter finden.

Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako ist 2014 mit Anfang 20 Vater geworden. Seitdem erzählt der Essener in seiner Kolumne – immer mit einem Augenzwinkern – von dem chaotischen Leben mit seiner Familie.