Wassertreten und Wechselduschen: Der Pfarrer aus Oberschwaben prägte ein Gesundheitsbild, das bis heute viele Anhänger findet.

Kaltes Duschen und regelmäßiges Eisbaden liegen zurzeit im Trend. Wer sich traut, berichtet von positiven Wirkungen auf Körper und Geist. Doch tatsächlich wurde damit nur eine alte Tradition wiederbelebt: So gibt es in Deutschland die Kneipp-Therapie, die 2015 zum immateriellen Kulturerbe ernannt wurde und zu dem unter anderem das Wassertreten in kaltem Wasser zählt. Zurück geht diese bekannte Form der Hydrotherapie auf den Deutschen Sebastian Anton Kneipp. Zu seinem hinterlassenen Lebenswerk gehören die fünf Säulen nach Kneipp, die neben der Wasserkur noch einige andere Elemente enthalten.

Wer war Sebastian Kneipp?

Kneipp wurde 1821 in Oberschwaben nahe des Bodensees geboren. Seine Familie war arm. Dennoch gelang es ihm, ab dem Jahr 1848 Theologie zu studieren. Ab 1852 arbeitete er als römisch-katholischer Priester. Doch schon bevor er sein Studium aufgenommen hat, soll Kneipp unter einer Lungenerkrankung gelitten haben, bei der heute Tuberkulose vermutet wird. Er entdeckte ein Buch, das von Johann Siegmund Hahn geschrieben wurde, einem Leibarzt von Friedrich dem Großen. Darin wurden Wassertherapien empfohlen, die Kneipp schließlich selbst anwendete, etwa regelmäßiges Kurzbaden in der kalten Donau.

Überzeugt von den täglichen Wassertherapien, begann Kneipp damit, auch andere erkrankte Menschen zu behandeln. Da er kein Arzt war, tat er dies heimlich. Bald kam er deswegen aber mit dem Gesetz in Konflikt, das ihm Kurpfuscherei vorwarf. Er wurde auch erfolgreich auf Unterlassung verklagt. Als sich 1854 in Bayern der Cholera-Erreger ausbreitete, behandelte Kneipp wieder Menschen und soll dabei einige Personen geheilt haben.

Sebastan Kneipp half vielen kranken Menschen.
Sebastan Kneipp half vielen kranken Menschen. © nn | NN

Seit den Ereignissen rund um die Epidemie suchten immer mehr Kranke die Hilfe von Kneipp, sodass sich seine damalige Wirkungsstätte in Wörishofen zu einem gut besuchten Kurort entwickelte. Kneipp hatte einige Kritiker, vor allem unter den Ärzten seiner Zeit, doch auch Freunde und Förderer. So wurde mit dem inzwischen ersetzten Gesetz zur Freigabe der Heilkunde politisch zu seinen Gunsten entschieden. Laut diesem Gesetz durfte damals jeder unabhängig von seiner Ausbildung medizinische Behandlungen anbieten. Sebastian Kneipp schrieb einige Bücher, er sprach sich allgemein gegen den modernen Lebensstil aus, den er als krankmachend bezeichnete. Außerdem legte er großen Wert darauf, Arme kostenlos zu behandeln.

Die fünf Säulen

Bei Kneipps Therapie handelt es sich um Wasser, Ernährung, Heilkräuter, Bewegung und Lebensordnung. Wer darauf achtet, soll laut Kneipp Körper, Geist und Seele in Balance bringen, sich selbst heilen und allgemein zu mehr Wohlbefinden gelangen.

Wasser: Die Wassertherapie spielte für Kneipp stets eine entscheidende Rolle, nachdem er ihre Bedeutung erkannt hatte. Doch er empfahl nicht nur das Baden in kaltem Wasser, sondern nutzte es in seiner ganzen Vielfalt. Neben kalten Bädern zählten dazu auch warme Wickel, Tees und Güsse. Wechselduschen sind heute allgemein als fördernd für die Durchblutung und das Immunsystem bekannt.

Ernährung: Kneipp setzte sich für eine wohlschmeckende, gesunde Ernährung ein, bei der er außerdem Wert auf ein attraktives Anrichten der Speisen legte – ganz nach dem Motto „Das Auge isst mit“. Die Lebensmittel sollten zudem naturbelassen und reich an Nährstoffen sein. Er empfahl schon zu seiner Zeit eine pflanzenbasierte Kost mit viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten.

Heilkräuter: Pflanzen spielten für ihn auch eine heilende Rolle. Da er im Kloster wirkte, hatte er auch Zugang zum Klostergarten. Er kannte sich gut mit Pflanzen aus und empfahl etwa das Trinken von Kräutertees und die Verwendung von Kräuterbädern.

Bewegung: Der Mensch soll nach Kneipp nicht nur ruhen, sondern sich auch regelmäßig bewegen. So bleibt der Körper stark, wodurch auch das Herz-Kreislauf-System profitiert. Er empfahl auch viel Bewegung im Alltag, weil dies die Seele entspannt. Zur Bewegungstherapie zählte er übrigens auch Massagen.

Lebensordnung: Eine gesunde Seele lebt in einem gesunden Körper, und auch sie selbst muss gepflegt werden. Kneipp sprach sich daher für ein Leben mit Struktur und Ordnung aus – sowohl im Außen als auch im Inneren. Gemeint ist damit Alkohol höchstens in Maßen und kein Rauchen. Unnötige Risiken sollen vermieden, und auf Entspannung im Alltag geachtet werden.

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