Essen. Der Band-Schlagzeuger Nick Mason tourt mit seiner Band Saucerful Of Secrets. Ein Gespräch über alte Zeiten und neue Streitschlichtung.
Die Rolle des Mediators zwischen den streitenden Bandmitgliedern der legendären Pink Floyd hat ihm nie gefallen – die als Erbverwalter der Mega-Band noch weniger. Marcel Anders sprach mit dem früheren Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason darüber, warum er auf Tour geht. Und zum Beispiel am 27. Juli in Köln auf dem Roncalliplatz am Dom spielt.
Mr. Mason, wie kommt es, dass Sie in diesem Sommer wieder so viele Konzerte geben?
Es ist einfach so, dass ich gerne live spiele. Und die Band entwickelt sich immer weiter. Wir machen das jetzt vier oder fünf Jahre und es gibt noch so viele Möglichkeiten, das Ganze zu verbessern, sich an anderen Stücken zu versuchen. Die einzige Einschränkung, die wir haben, ist, uns auf das Material vor „Dark Side Of The Moon“ zu konzentrieren. Ich genieße es, mit der Musik zu experimentieren. Und was ich auf jeden Fall vermeiden möchte, ist, eine weitere Tribut-Band zu sein. Daran habe ich kein Interesse. Ich mag es, dass „Saucerful Of Secrets“ etwas von einem Déjà-vu hat – eben mit einer kleineren Band in kleineren Hallen zu spielen. Im Sinne von Pink Floyd 1967/68.
Also keine Materialschlachten im Sinne der späteren Jahre?
Das ist einer der positiven Aspekte dieser Band: So gerne ich vor 90.000 Menschen spiele und mit einem Privatjet, der hinter der Bühne wartet, ausgeflogen würde: Das Tolle an kleineren Hallen ist, dass sie für Musik-Aufführungen designt wurden. Deswegen ist es viel schöner, dort aufzutreten als in irgendwelchen Stadien, die in erster Linie für Sportveranstaltungen konzipiert sind. Das schlägt sich auch im Sound nieder, bei dem man große Abstriche machen muss. Und: Man kann mit den anderen Bandmitgliedern kommunizieren, ohne per Golfcart von einer Seite der Bühne zur anderen fahren zu müssen.
Wobei einige der Hallen, in denen Sie diesmal auftreten, auch nicht gerade als klein oder intim bezeichnet werden könnten.
Das mag schon sein. Aber alle Lokalitäten, in denen wir spielen, haben ihren eigenen Charakter - und das ist nett. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel in Pompeij, was großartig war. Eben auch an einige besondere Orte der Vergangenheit zurückzukehren.
Sie bieten also eine Zeitreise in die späten Sechziger und frühen Siebziger?
Ganz genau. Wobei das wirklich Besondere in den frühen 70ern passiert ist – zu Beginn der Dekade. Für mich war es eine goldene Ära, in der die Welt ein bisschen positiver war als heute. Das Problem ist, dass wir uns dessen nicht bewusst waren oder schlichtweg nicht genug wussten – sonst hätten wir uns mehr bemüht, das Beste davon zu bewahren.
Was mögen Sie an den Songs dieser Zeit? Den psychedelischen Vibe?
Es ist der Mix der ersten sieben Alben – inklusive der Soundtracks zu den Filmen von Barbet Schroeder: „More“ und „La Vallee“. Alben, die später regelrecht von „Dark Side Of The Moon“ überschattet wurden – denn je mehr Material man veröffentlicht, desto weniger kommen die alten Stücke zum Einsatz. Und was die Songs von Syd Barrett betrifft, sind sie für mich eher schwermütig als psychedelisch. Es gibt auch solche, die der britischen Folk-Tradition folgen. Aber ich mag vor allem Stücke, die improvisiert sind und sich dafür eignen, jeden Abend ein bisschen anders gespielt zu werden. Es ist kein psychedelischer Trip von Anfang bis Ende.
Ist die Rückkehr zur Bühne auch eine Flucht vor Ihrer Rolle der letzten Jahrzehnte – als Sprachrohr der Pink Floyd-Erbverwalter? War Ihnen das irgendwann zu viel oder zu wenig?
Die Antwort ist, dass ich nichts dagegen habe, mich zu engagieren. Zumal Roger Waters kein gutes Sprachrohr für den jüngeren Floyd-Katalog wäre - und David Gilmour immer so mürrisch ist oder schlichtweg keine Lust zum Reden hat. Ich dagegen bin stolz, auf das, was wir getan haben und rühre gerne die Werbetrommel dafür.
Bei David Gilmours letztem Solo-Album hieß es tatsächlich: „Keine Fragen zu Pink Floyd.“ Wie denken Sie darüber?
Das ist ein bisschen unfair. Wenn er auf die Bühne geht, spielt er ja immer noch Floyd-Stücke. Von daher verstehe ich das nicht. Aber wenn er das so will, bitteschön.
Roger Waters war letztes Jahr Überraschungsgast bei Ihrer Show in New York. Wie war es, die alten Stücke mit ihm zu spielen?
Sehr emotional, aber auch ein Riesenspaß. Und darum geht es hier. Pink Floyd wurden immer ernster genommen als sie waren. Wahrscheinlich ist das unsere eigene Schuld: Wir stellen uns immer als sehr ernste Menschen dar, statt unsere experimentelle oder neugierige Seite in den Vordergrund zu rücken.
Könnte Nick Mason’s Saucerful Of Secrets eine Plattform sein, um David und Roger wieder zusammenzubringen? Sprich: Könnte die alte Musik eine heilende Wirkung auf ihr Verhältnis haben?
(lacht) Viel Glück! Ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Und ich würde nie Tickets auf dieser Grundlage anbieten.
Sie gelten als Mediator zwischen den beiden – ist das eine Rolle, mit der Sie glücklich sind?
Ich springe gelegentlich ein, um die Wellen zu glätten. Aber ich bin nicht der Henry Kissinger der Rockmusik. Ich will das auch nicht sein. Sollten wir drei uns mal alle gegenseitig an die Gurgel gehen, wäre das schwierig. Obwohl: Gelegentlich schaffen wir es ja, eine Übereinkunft zu erzielen. Etwa bei Live8, als wir für einen Nachmittag zusammengekommen sind.
Dabei hatte jeder gehofft, es möge länger halten…
Bei Led Zeppelin war es ja nicht anders. (kichert) Ich bin immer noch der Meinung, dass das eine tolle Sache war – aber selbst ich habe nie daran geglaubt, dass daraus mehr werden könnte.
Mal ehrlich: Wie denken Sie über Roger Waters‘ Redux-Version von „Dark Side Of The Moon“?
Ich finde sie gelungen. Wobei die Formulierung „Neuaufnahme“ ja impliziert, dass er eine alternative Version davon aufgenommen hätte. Dabei war es eher so, dass er verschiedene Elemente davon genommen und sie mit zusätzlichen Texten versehen hat. Das fand ich interessant – im Sinne eines ebenbürtigen Projekts. Worauf Roger vielleicht ein bisschen mehr hätte achten sollen, war zu kommunizieren, dass er das eben nicht als Alternative zum Original mit der Band angegangen ist. Dann – und nur dann - ist es ein nettes Extra mit einer Menge interessanten Musikern.
Dann haben die Medien, die wenig begeistert waren, das Album komplett falsch verstanden?
Sie haben daraus eine Fortsetzung seines Kriegs gegen die Band gemacht – einen Ausdruck seines Grolls, obwohl es das nicht war.
Dasselbe gilt für sein BDS-Engagement, das ihm eine Menge Ärger beschert hat.
Wenn Roger etwas sagen will, tut er das auch. (kichert) Nur, dass es gelegentlich nicht so gut ankommt. Ich würde ihm zu ein bisschen mehr Diplomatie raten. Gleichzeitig, und das meine ich, wie ich es sage, ist er einer meiner besten Freunde. Deshalb schreibe ich ihm auch nicht vor, was er zu tun und zu lassen hat. Es wäre eh Zeitverschwendung.
Sie selbst sind im Januar 80 geworden. Wie lange wollen Sie sich den Stress als tourender Musiker noch antun?
Ich habe keinen Masterplan. Und ich kenne etliche Leute in meinem Alter, die das genauso machen. Hinzu kommt: Wenn es dir Freude bereitet, ist Musik zu machen kein Job, sondern ein Privileg. Insofern gibt es keinen Grund, aufzuhören, ehe der Körper versagt – oder niemand mehr Tickets dafür kaufen will.