Essen. Unser Familienbande-Kolumnist hat sein Privat-Handy mal wieder aus dem Schrank geholt. Vielleicht war das keine besonders gute Idee.

Im wirtschaftlich schwächelnden Deutschland wird sich aktuell ja gerne darüber empört, dass wir alle nicht mehr fleißig genug sind. Ich bin unschuldig, hatte mein Privathandy jetzt ganze drei Monate ausgeschaltet. Ein wahrhaftiger Held der Arbeit.

Das ausgeschaltete Privatgerät brachte mich nicht in die Versuchung, in der audiovisuelle Dokumentation der ersten Lebensjahre meiner Tochter zu versinken. Während die Babyjahre meines Sohnes auf der externen Festplatte liegen, zieht sich die Sammlung auf meinem Privat-Phone von Melias Debüt im Kreißsaal bis zu ihrem dritten Geburtstag. Sich diesem Material zu ergeben, ist in gewisser Weise riskant. Insbesondere für Melia selbst.

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Niedergeschlagen wünschte sie sich, wieder ein Baby sein zu wollen, als ich das Handy mal wieder einschaltete und in ihrer Gegenwart die alten Videos anklickte. „Ihr habt früher viel mehr Spaß gemacht mit uns“, sagte sie. Viel mehr Zeit hätten wir für sie und ihren Bruder gehabt, behauptete sie schluchzend im Bett.

Lieber wieder das Dienst-Handy in der Hand

Na ja, und als man so durch die Videosammlung wischte, da machte das tatsächlich den Eindruck des dauerhaften Friede-Freude-Eierkuchen-Seins. Aber summiert waren die Clips eben nur eine gute Stunde von drei Jahren. Eine Stunde eben, in der man nicht für die deutsche Wirtschaft ackerte, sondern sich voll auf die Kinder einließ, in der man sich ganz sicher nicht anzickte oder Papa mal etwas strenger wurde. In dieser Hinsicht kommen die Videos einer Realitätszensur gleich.

Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Kolumnist Gordon Wüllner-Adomako erzählt seit 2014 von seinem Leben als zweifacher Vater und Ehemann. 
Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Kolumnist Gordon Wüllner-Adomako erzählt seit 2014 von seinem Leben als zweifacher Vater und Ehemann.  © Funke Grafik NRW | Catharina Maria Buchholz

Das versuchte ich auch Melia zu erklären - und redete mein Vergangenheits-Ich schlecht. Viel mehr Zeit als heute hätte dieser Papa von früher auch nicht gehabt, sagte ich. Nicht so ganz überzeugend war, dass ich während dieses Erklärungsversuches wieder nur mein Dienst-Handy in der Hand hatte. Aber das macht auch viel schönere Fotos und Videos.

Geschichten aus der Familienbande: WAZ-Redakteur Gordon Wüllner-Adomako ist 2014 mit Anfang 20 Vater geworden. Seitdem erzählt der Essener in seiner Kolumne – immer mit einem Augenzwinkern – von dem chaotischen Leben mit seiner Familie.