Köln. Die Autorin R. F. Kuang wurde durch TikTok zum Star. Mit uns spricht sie über die Schattenseiten des Erfolgs in den sozialen Medien.
Rebecca F. Kuangs Lebenslauf liest sich beinahe wie ein modernes Märchen: Privatschul-Abschluss, Studium, zwei Master-Abschlüsse in Oxford und Cambridge, nun promoviert sie in Yale. Und nebenbei hat die 27-jährige Frau aus Boston fünf weltweit bekannte Romane geschrieben. Aktuell ist sie für ihren neuesten Roman „Yellowface“ auf Deutschland-Tour.
Star-Autorin R. F. Kuang promoviert an der Yale University
Wie hält man so ein Leben langfristig durch? „Ich bin sehr diszipliniert damit, wie ich meinen Tag strukturiere“, sagt sie unserer Redaktion. Ihr Tag beginnt meistens früh, dann schreibe sie an ihrem aktuellen Buchprojekt. Morgens sei sie besonders kreativ. Soziale Medien spielen kaum eine Rolle in ihrem Leben: „Ich habe eine App, die meine Zeit auf Social Media auf eine halbe Stunde am Tag limitiert. Ich versuche, vor dem Mittag gar nicht online zu sein“, sagt sie.
Obwohl Kuang das Internet nur wohldosiert genießt, ging ihre Karriere durch die Decke, weil andere Menschen fieberhaft durch TikTok und Co. scrollen. Ihr erstes Buch „The Poppy War“, eine düstere, von der chinesischen Song-Dynastie inspirierte Fantasy-Geschichte, verkaufte sich erst gar nicht so gut. „Es war ein ruhiger Start, in der ersten Woche wurden vielleicht 1000 Exemplare verkauft“, sagt sie. Sie habe einen „stillen Tod“ erlitten, wann immer sie in einen Buchladen gelaufen und gesehen habe, dass ihr Roman dort nicht mal angeboten werde.
Doch dann veränderte ein Algorithmus und ein soziales Netzwerk ihr Leben: Ihr Fantasy-Debüt bekam große Aufmerksamkeit auf „BookTok“ – ein spezieller Bereich auf TikTok, in dem Nutzerinnen und Nutzer sich gegenseitig Bücher empfehlen. Die Verkaufszahlen kletterten in die Höhe und Kuang stieg in kürzester Zeit zum Star für junge Menschen auf, die gern lesen.
Bestseller „Yellowface“ von R. F. Kuang kritisiert Verlagsbranche
Angestachelt vom Erfolg setzte sie sich hin und schrieb neben dem Studium zwei weitere Bände für die „Poppy War“-Trilogie. Seitdem hat die im chinesischen Guangzhou geborene Frau noch zwei Romane geschrieben: Den 700-Seiten-Wälzer „Babel“ über Magie und Macht der Sprache sowie ihr neuestes Werk „Yellowface“, ein Satire-Krimi, den sie am auch im restlos ausverkauften Filmforum im Kölner Museum Ludwig vorgestellt hat.
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Vielleicht ist R. F. Kuang gerade deshalb so erfolgreich, weil sie gern ihre persönlichen Erfahrungen in ihren Büchern verarbeitet, die deshalb so authentisch wirken – obwohl sie diese Parallelen zu ihrem eigenen Leben in Interviews stets dementiert. Der Krimi „Yellowface“ handelt von der Welt, die sie in den vergangenen Jahren selbst kennen (und vermutlich verachten) gelernt hat: der Verlagsbranche in den USA, die eine Mischung aus Schlangengrube und Haifischbecken ist.
Der Plot: Eine junge, weiße, nicht besonders erfolgreiche angehende Autorin namens June Hayward klaut das fertige Manuskript ihrer erfolgreichen, chinesisch-stämmigen Schriftsteller-Freundin und veröffentlicht es unter ihrem Namen – woraufhin sie zum neuen Star der Branche aufsteigt.
Nach und nach kommt aber die Wahrheit ans Licht, June verstrickt sich immer mehr in den Abgründen der sozialen Medien und entwickelt einen Verfolgungswahn. Der Roman gibt Außenstehenden einen Einblick in die Kehrseite der Buchindustrie. Er zeigt die Willkürlichkeit, mit der Buchverlage entscheiden, welche Bücher zu Bestsellern werden und welche Autoren Erfolg haben sollen – – und den Hass, mit dem in den sozialen Medien über andere Menschen geurteilt wird. Außerdem geht es in dem Buch um die komplexen Verwicklungen von Rassismus und kultureller Aneignung in der Verlagsbranche.
R. F. Kuang bekam Morddrohungen im Internet
„Das Buch ist ein Horrorbuch“, sagt R. F. Kuang auf der Bühne des Filmforums. Weil Social Media teilweise ein „entsetzlicher Ort“ sei, eine „verzerrte Realität“ und „vor allem interessiert daran, Drama zu kreieren“, findet sie. Die Erfahrung habe sie auch selbst schon machen müssen. Shitstorms und Hassnachrichten hätten sich in den vergangenen Jahren über der jungen Studentin entladen, gerade weil sie über emotionalisierende Themen mit hohem Streitwert schreibt. „Ich habe schon Morddrohungen bekommen“, so Kuang.
Vielleicht überlässt sie die sozialen Medien deswegen lieber denjenigen, die ihre Bücher konsumieren: „Wir Autoren schreiben ja, weil wir nicht gern vor der Kamera stehen und lieber allein in unserem Zimmer sind“, sagt sie und lacht. Ganz gleichgültig scheint ihr Social Media dann aber doch nicht zu sein: Kuang zählt inzwischen fast 260.000 Follower auf TikTok und Instagram.