Oberhausen. Lehrercomedian Johannes Schröder gastiert in der Arena. Im Interview spricht er u.a. über Streber und wilde Klassenfahrteskapaden.

Zehn Jahre ist es her, dass Johannes Schröder alias „Herr Schröder“ das Klassenzimmer mit der Comedy-Bühne getauscht hat: Statt Schülerinnen und Schüler zu unterrichten, bringt er ein stetig wachsendes Publikum mit seinem Programm „Instagrammatik“ zum Lachen. Vor Corona trat er vor ein paar Hundert Fans auf, doch seit dem Ende der Pandemie wollen den Pointen-Pädagogen plötzlich Tausende sehen. Am Freitag, 21.6., kommt er nun zum Tour-Abschluss in die Rudolf Weber-Arena Oberhausen. Herr Schröder ist hier mit dem Programm „Instagrammatik“ zu Gast, Karten für ca. 46 Euro gibt‘s hier. Im großen Interview verrät der gebürtige Berliner nun den Grund für seinen rasant gewachsenen Erfolg.

Bei Ihnen läuft’s ja derzeit richtig gut. Seit wann rennt Ihnen das Publikum denn so die Hütte ein?

Das liegt tatsächlich an Social Media, also vor allem an Instagram-Videos. Mit kleinen Reels und Snippets dokumentiere ich, was ich so tue auf der Bühne, und trete damit in die Kommunikation mit den Lehrerzimmern Deutschlands, mit den Junglehrerinnen und Junglehrern, mit den Referendaren und Lehramtsstudenten. Das Reel ist dabei der Anlass, sich auszutauschen – z.B. über die Lehrerausbildung oder die Aufwertung der Grundschulen.

Seit wann machen Sie das?

Ich habe vor drei Jahren mit Instagram angefangen, und so richtig intensiv betreibe ich das seit ca. anderthalb Jahren. Intensiv heißt, dass die Videos eine gewisse Qualität haben, z.B. hinsichtlich der Akustik. Es gibt viele kleine Dinge, die funktionieren müssen. Das ist ein Schwerpunkt meiner Arbeit geworden – mein aktueller Erfolg liegt tatsächlich an Social Media. Ich hätte es selbst nicht gedacht, ich hab’s auch nicht gewollt, aber es ist so. Es hat mir aber auch sehr geholfen, weil ich dadurch jetzt verstehe, wie Social Media funktioniert. Ich verstehe die Schülerinnen und Schüler besser, dieses Suchtgefühl, das entsteht, wenn die Videos auf einen einprasseln. Und es hat dazu geführt, dass ich jetzt ein bisschen ausverkaufter bin als früher. Aber ich sehe es als eine Momentaufnahme. Das ist jetzt mal so, das ist schön, es ist auch beflügelnd, aber es sagt auch nicht groß was aus.

Sind Sie denn auch bei TikTok?

Ja, aber da sprechen Sie einen wunden Punkt an. (lacht) TikTok ist nochmal anders. Da funktionieren meine Videos nicht wirklich gut. Meine Followerzahlen stagnieren seit einem Jahr. Tiktok ist eine Plattform, die noch mehr aus dem Spontanen heraus lebt. Ich bin auf Instagram besser unterwegs, weil dort das Interaktive besser funktioniert.

Wer kommt den zu Ihnen ins Programm – Lehrer oder Schüler?

Von hundert Leuten sind maximal zehn Schüler dabei. Der Großteil sind Lehrerinnen und Lehrer mit ihrem Anhang – und natürlich auch ganz viele Nicht-Lehrer. Und die bringen gewissermaßen das wahre Leben mit hinein. Wenn wir nur Lehrer wären, das wäre schrecklich. Wenn Lehrer unter sich sind, ist das wie eine Fortbildung, so ein Gären im eigenen Saft. Deshalb freue ich mich über alle Branchenfremden.

Welche Schüler tun sich denn nach der Schule, abends in ihrer Freizeit noch mal einen Lehrer an? Sind das dann die Streber ..?

(lacht) Eine berechtigte Frage. Sicherlich gibt’s da so ein bisschen die Streber, aber nicht nur. Ich habe auch mal rebellische Schüler im Publikum, die erstmal zeigen, dass sie gar keinen Bock haben. Über die freue ich mich sogar am meisten, weil ich auch Unterbrechungen im Programm mag. In Siegen war mal eine ganze Schulklasse mit Ihren Lehrern im Programm – die war kulturell und von den Biografien richtig durchmischt. Das ist dann eine pädagogische Herausforderung, die ich aber zu schätzen weiß.

Herr Schröder
„Instagrammatik“: Herr Schröder kommt mit seinem Erfolgsprogramm nach Düsseldorf und Oberhausen – hat aber Bammel vor der Kulisse. © HO | HB Management

Bis vor kurzem sind Sie meist vor ein paar Hundert Menschen aufgetreten. Wie steht’s bei einer solchen Kulisse mit dem Lampenfieber und der Aufregung?

Es ist die Hölle. Ich bin vor jedem Auftritt aufgeregt, selbst wenn Sie mich vor fünfzig Leuten auf einer kleinen Bühne auftreten lassen. Wenn es nun 4000 Leute sind, wird es ein bisschen virtuell. Ich weiß auch noch nicht, wie mir diese Größe bekommt. Es kann sein, dass ich eine oder mehrere Nächte vorher nicht schlafen kann. Ich habe größten Respekt davor, freue mich aber auch auf die Inhalte, die wir dort besprechen. Das ist ja nicht nur eine Comedyshow, sondern es gibt auch was zum Nachdenken. Was machen wir unseren Schülern, es geht um die Wertschätzung verschiedenster pädagogischer Tätigkeiten.

Was stört Sie zum Beispiel, was könnte sich ändern? Sie sprachen eben die Grundschulen an …

Die Wertschätzung gegenüber dem Primarbereich, den Kitas und den Grundschulen, könnte größer sein. Ich habe noch diese Antwort im Ohr – auf die Frage, in welcher Schulform man unterrichtet: „Nur Grundschule“. Dabei ist das die Basis der Bildung, da werden die wichtigsten Jenga-Steine fürs Leben gelegt. Ich vergleiche das gerne mit Architekten. Ich kenne keinen, der schon mal gesagt hätte, „Wissen sie, was? Das Fundament ist, nicht so wichtig. Wir fangen im dritten Stock an.“ Wenn wir einen großen Schub Wertschätzung, einhergehend mit finanziellen Mitteln, diesen Primarbereich widmen würden, dann würden wir vielleicht wieder ganz anders über Bildung nachdenken. Ich war in Schweden bei einem Schulbesuch, und der Schulleiter sagte mir dort, die Leute mit den besten Examensnoten werden landesweit in die niedrigsten Klassen gesteckt. Das ist so, als würde man die gesamte Denk-Pyramide einmal auf den Kopf stellen und viel mehr Wert auf die Basis legen, quasi beim Schleife binden anfangen – in der Grundschule, bei den ersten Schritten des sozialen Miteinanders, beim Schreiben, Lesen, bei den kulturellen Grundkompetenzen.

Ich nenne Ihnen nun mal zwei, drei Stichwörter aus dem schulischen Kosmos. Was fällt Ihnen dazu ein? Ich fange an mit: dem Klassenbuch.

Oh, ich liebe das Klassenbuch, das analoge, das dreidimensionale Klassenbuch. Es ist ja dem Aussterben geweiht. Ich mache jeden Abend eine Umfrage: Wer hat in der vergangenen Woche noch mit dem analogen Klassenbuch unterrichtet? Bundesweit kann man sagen, die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer hat noch das alte Klassenbuch, also das, was man noch richtig auf den Tisch knallen kann. Und die andere Hälfte ist mit digitalen Klassenbüchern ausgestattet, also entweder mit iPad oder Smartphone. Die stehen am Anfang der Stunde vor der Klasse und swipen bei der Anwesenheitskontrolle nach rechts oder links – anwesend, abwesend, anwesend, abwesend … „Schülertindern“ nennt man das. Ich sehe im analogen Klassenbuch einen großen Vorteil. Das war immer der Spiegel der Klasse. Das Buch sieht nach einer Woche so aus, wie die Klasse intellektuell drauf ist, und das geht natürlich mit so einem leblosen, seelenlosen Algorithmus nicht.

Herr Schröder auf der Bühne – hier vor zwei Jahren im Alldiekunst-Haus in Velbert. Inzwischen sind aus Sälen Hallen geworden, und bald geht es in die Rudolf Weber-Arena in Oberhausen.
Herr Schröder auf der Bühne – hier vor zwei Jahren im Alldiekunst-Haus in Velbert. Inzwischen sind aus Sälen Hallen geworden, und bald geht es in die Rudolf Weber-Arena in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Das nächste Stichwort: Klassenfahrt.

Klassenfahrten sind im Grunde die pädagogisch wertvollste Zeit. Die Schülerinnen und Schüler lernen nirgendwo so viel wie während einer Klassenfahrt. Sie kommen teilweise wirklich als andere Menschen zurück. Sie machen einen Entwicklungssprung, weil sie die Gemeinschaft und – manchmal zum ersten Mal  – die Abwesenheit der Eltern erleben. Da wird das Zusammengehörigkeitsgefühl neu definiert, die Peergroup gestaltet sich neu. Hier wird intensiv etwas erlebt, die Klassenfahrt pädagogisch unersetzlich!

Ich kann mich auch an intensive Erlebnisse erinnern. Ob die allerdings pädagogisch wertvoll waren …?

Es ist eben kein Lernen am Modell, sondern in realen Situationen. Da werden z.B. heftige Konflikte ausgetragen, ob da nun Regeln gebrochen werden oder nicht. Klar, ich war mal in Barcelona auf Klassenfahrt, da haben wir die Jungen um 1 Uhr aus ihrem Erbrochenen gezogen … das klingt zunächst einmal nicht sehr pädagogisch. Aber das Pädagogische daran ist, dass man hinterher über die Grenzerfahrung spricht und sich gemeinsam fragt, wie gehen wir jetzt damit um. Für den Lehrer ist eine Klassenfahrt richtig anstrengend. Das ist nicht mal eben ein Weinchen trinken, sondern 24 Stunden Arbeit.

Nächstes Stichwort: Lehrerzimmer.

Das Lehrerzimmer, der Rückzugsraum! Hier können wir Lehrer regredieren, und dann hören wir nur noch das Geklopfe der Schüler von außen. Es ist ein witziger Raum, da hat jeder so seinen eigenen Sitzplatz: Da sitzt der Herr Gerike schon seit 25 Jahren auf seinem angestammten Platz, und wehe, der wird irgendwie in Zweifel gezogen. Da gibts den kleinen Katzentisch für die Referendare, dann gibt es die Ecke mit dem Filterkaffee … Wenn man über die Schwelle ins Lehrerzimmer tritt, fällt der ganze pädagogische Rucksack von einem ab. Im Korridor bist du noch der strenge Lehrer, und im Lehrerzimmer wirst du selber zum Schüler.

Wurde zu Ihrer Zeit denn noch im Lehrerzimmer geraucht?

Ja, ganz am Anfang gab es noch einen extra Raum, wo dann mal eben eine Stange „Ernte 23“ weggeraucht wurde ... Ich erinnere mich auch ans digitale schwarze Brett, am Anfang bei uns war es noch ein normales schwarzes Brett mit den ganzen Vertretungsstunden und so. Da hat man drauf geguckt wie an so eine Klagemauer … „schon wieder Vertretungsunterricht, und sind die jetzt schon wieder in Projekttagen …“. Es wird im Lehrerzimmer schon sehr viel defizitär gesprochen, es wird viel geklagt – es ist nicht unbedingt das Zimmer positiver Energie.

Ihr Comedy- und Lehrerkollege Jürgen B. Hausmann ist wieder ans Pult zurückgekehrt. Wäre das für Sie eine Option?

Definitiv! Ich bin zwar kein Beamter mehr, aber ich habe noch meine Freude daran, mit Jugendlichen zu arbeiten. Ich mache ja auch viele Schulbesuche. Und da gibt es viele Modelle: Man kann als Schulbegleiter arbeiten, man kann natürlich auch Teilzeit irgendwo arbeiten. Aber ich möchte nicht nochmal Vollzeit-Beamter mit zehn Korrekturstapeln sein.

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