Neu im Kino: eine Ehekrise in „Mama Ante Portas“, „Renfield“ mit einem gut aufgelegten Nicholas Hoult und „All The Beauty And The Bloodshed“.

„All The Beauty And The Bloodshed“

Im Frühjahr 2018 schließt sich die Fotografin und Künstlerin Nan Goldin der Aktivistengruppe P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now) an. Man kämpft im Zuge der Opioid-Krise gegen das Schmerzmittel OxyContin, dessen Suchtfaktor allein in den USA bislang über eine 500.000 Todesopfer forderte.

Goldin, die auch OxyContin-süchtig wurde, greift mit P.A.I.N. vor allem die Milliardärsfamilie Sackler an. Die kam ab 1963 durch das suchtfördernde Beruhigungsmittel Valium zu Reichtum und trat über Jahrzehnte als Mäzen für Museen, Universitäten und Forschungseinrichtungen in Erscheinung. Ziel ist es, die Sacklers mit Geldbußen zur Verantwortung zu ziehen und ihren Namen als Wohltäter für Kunst und Forschung zu tilgen.

Es spricht gegen das US-Rechtssystem, wenn ein Gesundheitsskandal durch die Macht von Anwälten und Superreichen beinah unter den Teppich der Diskretion gekehrt worden wäre. Dass es anders kam, spricht für die individuelle Wehrhaftigkeit in der amerikanischen Demokratie.

„All the Beauty and Bloodshed“: Die Künstlerin Nan Goldin legt sich mit der Pharmaindustrie an.
„All the Beauty and Bloodshed“: Die Künstlerin Nan Goldin legt sich mit der Pharmaindustrie an. © Plaion | Plaion

Die Dokumentarfilmerin Laura Poitras hatte schon in ihrem Oscar-prämierten Film „CitizenFour“ (über Edward Snowdon) und in „Risk“ (über Julien Assange) ihre Sympathie für Nonkonformismus bekundet. Ihr jüngster Film nun, der letztes Jahr in Venedig (ungewöhnlich für eine Doku) den Goldenen Löwen als bester Film gewann, unterfüttert das eher plump auf Heldentum gebürstete Widerstandsepos mit der Biografie der Protagonistin Nan Goldin.

Die etablierte sich in den 1970er, 80er Jahren im Dunstkreis des New Yorker Underground-Künstlertums, entging selbst nur knapp einer Drogenüberdosis und entwickelte durch den Selbstmord ihrer Schwester sowie AIDS-Tode im Freundeskreis einen Kampfgeist gegen Konformismus, Verleugnung und Stigmatisierung.

Im Wechselspiel aus Künstlerbiografie, Psychostudie und Aufbegehr gegen scheinbar unantastbare Gegner bezieht der zweistündige Film zwar klare Haltung, macht sich durch seine komplett distanzlose Sympathievergabe für selbstgerechte Provokation aber immer auch angreifbar. Das ist ein legitimer Weg, um Diskussionen anzustoßen. Aber es birgt die Gefahr, vorschnell jene zu verschrecken, die es noch zu überzeugen gilt.

„Renfield“

Robert Montague Renfield ist seit rund einhundert Jahren Diener und Fußabtreter des Grafen Dracula. Seit die beiden in New Orleans residieren, versucht Renfield (Nicholas Hoult) sich über eine kirchliche Selbsthilfegruppe zumindest gedanklich vom Grafen zu entfernen. ine Gangsterbande funkt dazwischen, Renfield verliebt sich in eine Polizistin (Awkwafina). Dracula ergreift die Initiative.

Die unheimliche Nebenfigur aus Bram Stokers Vampirroman darf in Gestalt des außergewöhnlich gut aufgelegten Nicholas Hoult zum Hauptdarsteller aufsteigen und – Neuerung! – durch den Konsum von Insekten zumindest kurzfristig an Draculas Kräfte heranreichen.

Unter der etwas zu sehr auf Selbstironie, Digitalschocks und Trash-Gewalt bedachten Regie von Chris McKay („The Lego Batman Movie“) ist die eigentliche Attraktion selbstredend der Schauspieler Nicolas Cage, der seinen Dracula mit Lon Chaneys Gebiss aus „London After Midnight“, Bela Lugosis Gestik und Al Pacinos Over-Acting-Monologen zum amüsanten Gesamtkunstwerk erhebt.

Um ihn herum wuchern eine bizarre Lovestory, überlange Prügel- und Schießereien, komisch überhöhte Brutaleffekte und Shakespeare-Tragik – und das erschafft gegen alle Erwartungen eine unterhaltsame Bereicherung fürs Cinematic Dracula-Verse.

„Mamma Ante Portas“

Die Managerin Carole und ihr Mann Alain arbeiten gerade an der erotischen Wiederbelebung ihres Ehelebens, als sich Caroles Mutter Jacqueline in Folge widriger Umstände bei den beiden einquartiert. Das löst Belastungszustände aus.

Eine ungeniert auf schnelle, schlüpfrige Schenkelklopfer gemünzte Komödie aus Frankreich (Regie: Eric Lavaine).

Im Rahmen des Erwartbaren gibt Josiane Balasko die nervige Mama, Mathilde Seigner ist die genervte Tochter. Die Attraktion ist das Gesicht von Jerome Commandeur, wenn er als Alain in der Pufferzone zwischen den Frauen um Fassung ringt.