Moers.. Das Moerser Schlosstheater liebt Aufführungsorte, die eigentlich keine Bühne sind. Diesmal trifft es das alte Rathaus. Es wird zum Schauplatz für Henrik Ibsens „Volksfeind“. Die Inszenierung wartet mit reichlich Slapstick auf.
Privat oder Kasse? Willkommen in Bad Moers. Privat darf auf die mit Hussen bezogenen Bänke, Kasse muss auf die nackten Heizkörper, um Ulrich Grebs neue, rasante Inszenierung am Schlosstheater zu sehen. Mit Henrik Ibsens „Volksfeind“ zeigt sich der Intendant einmal mehr als Mann für ungewöhnliche Spielorte. Denn er zieht mit dem Stück um Demokratie und Aufrichtigkeit – und dem Publikum – durch das leerstehende alte Neue Rathaus, einen 70er-Jahre-Zweckbau von zweifelhaftem Charme. Für dieses Stück jedoch erweist er sich als ein wahres Schmuckkästchen.
Kraftvolle Spielfreude
Empfang ist in der ehemaligen Kantine, in der hinter blau schimmernden Scheiben nun die „Quelle reiner Lebensfreude“ sprudelt. Sie hat dem Ort zu Wohlstand und Aufschwung verholfen, und der Bürgermeister geht unfreiwillig in ihr baden. Zweiter Akt im schwarz-weiß gestreiften „Zebragang“ in der ersten Etage. Wo früher Bürgermeister und Dezernenten die Geschicke von Moers lenkten, wird nun mit „Tür-auf-Tür-zu-Theater“ um Wohl und Wehe des Kurbads gerungen: Soll man die Vergiftung der Quelle öffentlich machen und wieder pleite gehen? Oder fein still schweigen und weiter absahnen?
Dritter Akt im Treppenhaus. Verlogener Showdown mit Bürgermeisterkette, roten Rosen und „Frei wellnessen für alle!“ schließlich im ehemaligen Ratssaal.
Obwohl die Lage dramatisch ist – Ein Drama zeigt Greb nicht. Es ist eine krachende Groteske. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Schließlich ist die reale Stadt Moers pleite, hat vor vier Jahren ein Hallenbad geschlossen und der Gedanke, das Theater zu schließen, wird öffentlich geäußert. So flicht Greb kleine lokale – und auch böse – Spitzen in seinen „Volksfeind“. Für Moerser haben sie eindeutig einen Mehrwert. Für Nicht-Moerser Zuschauer versenden sie sich elegant. Da ist es eine Stadt wie jede andere eben, und Ibsen darf Ibsen bleiben.
Komödie und Slapstick
Mit diesem komödiantischen „Volksfeind“, bei dem sich die Akteure auch schon mal slapstickhaft in Klapp-Liegestühlen verheddern dürfen und übergroße Hände wie Comicfiguren haben (ob der großen Aufgaben), kommt Greb seinem Ensemble und dessen kraftvoller Spielfreude entgegen. Matthias Heße überdreht dennoch den aalglatten Bürgermeister nicht, sondern führt ihn nur an die Grenze der Bauernschläue. Patrick Dollas lotet den Badearzt Thomas Stockmann zwischen rechtschaffenem Gewissen und egoistischem Wahnsinn genau aus. Und Frank Wickermann macht aus Hovstad, dem Redakteur des Volksboten, den Mann fürs Grobe.
Langer, begeisterter Beifall.