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Der softe Swinger Bert Kaempfert befreite Lieder von Ecken und Kanten. Seine Erfolgsmelodien sind nun wieder zu hören, auf den wiederveröffentlichten Alben der Jahre 1958 bis 1979.„Danke Schoen“.

Welthits waren seine Sache: „Strangers In The Night“, „Spanish Eyes“, „Danke Schoen“ – darunter machte es der Meister der Mitwippmusik nicht. Und wenn die nächste Erfolgsmelodie partout nicht aus der eigenen Feder fließen wollte, bediente sich der Unterhaltungsgigant eben bei der Konkurrenz. Deren Songs hat der Mann, den Freunde nur „Fips“ riefen, in seiner fein justierten Arrangiermaschine so lange „kaempferisiert“, bis selbst ein Starkstrom-Teufelchen wie „Proud Mary“ den Süffigkeitsgrad von fettfreiem Milchschaum erreicht hatte.

Samt „Uhuhuuu“-Chor

War der Vorreiter des Easy Listening also nur ein musikalischer Weichmacher – oder vielleicht doch ein Genie? Eher Letzteres, wie sich aus seinen jetzt von der Polydor wiederveröffentlichten Alben der Jahre 1958 bis 1979 heraushören lässt . . . wobei das mit dem konzentrierten Hören so eine Sache ist: Schließlich verlangen Kaempferts Werke weniger den stillen Genießer, sondern wollen untermalen. Idealerweise als wohliger Soundteppich samt „Uhuhuuu“-Chor für die elegante Steh-Party oder als kaufreizsteigernde Dauerbeschallung im Konsumtempel. Denn wo der „Happy Sound“ eines James Last als zu hektisch empfunden wird, gilt Kaempferts Musik als mehrheitlich akzeptierte Konsensware.

Bert Kaempfert. Foto: Universal
Bert Kaempfert. Foto: Universal © Universal | Universal





Kaempferts Genie erschließt sich also weniger über das, was aus den Boxen tropft. Sondern vielmehr über das, was Bert Kaempfert zuvor vom Notenblatt radiert hatte. Selbst Kinderlieder, die kaum unter dem Verdacht allzu großer Komplexität stehen, wusste der softe Swinger von vermeintlichen Ecken und Kanten zu befreien. Nachzuhören bei Kaempferts jazzig einlullendem „Hänschen Klein“ von 1960 – eine Weise, die der gelernte Klarinettist persönlich einblies.

Er stillte das Fernweh

Kaempferts Heimat war Hamburg, was man seinen hanseatisch temperierten Arrangements anmerkt. Doch bereits mit seinen ersten Alben übersprang der Globetrotter in Sachen Unterhaltungsmusik den zentraleuropäischen Tellerrand: Kaempfert stillte mit Themenwerken zu Portugal („Fado, Wine And Sunshine“), Südamerika („That Latin Feeling“) und vor allem Afrika („A Swingin’ Safari“) das aufkeimende Fernweh seiner Landsleute. Das Rezept: Mit dem Hit-Kompass im Blick stets hart am musikalischen Klischee entlangschippern und allzu Exotisches von Bord befördern. Man könnte auch sagen: Deutscher als bei Kaempfert hat die Musik fremder Kulturen nie geklungen.

Manch unfreiwilliger Komik zum Trotz: Kaempferts Rolle in der Musikgeschichte darf kaum unterschätzt werden. Der stets formvollendet gekleidete Musikus durfte sich brüsten, als einziger Künstler sowohl für die Beatles, Elvis Presley als auch Frank Sinatra gearbeitet zu haben. Und seine eiserne Disziplin, Musik stets bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterzurechnen (Leitsatz: „Ich möchte Musik machen, die nicht stört“), verleiht seinem gigantischen Oeuvre ein gutes Stück Zeitlosigkeit – weit über das eigene Ableben hinaus: Vor 30 Jahren verstarb der Mann, dessen letzter Werktitel in nur fünf Buchstaben fasst, was er seinem Publikum schenken wollte: „Smile“, ein Lächeln. Danke Schoen.

  • Begleitend zum Re-Issue der Alben ist auch eine limitierte Vinyl-Box mit 20 Bert Kaempfert-Singles (1958 - 1969) erschienen