Münster..
Ein Museums-Neubau für 50 Millionen Euro? In NRW? So etwas kann es heutzutage bei der Kassenlage des Landes eigentlich nicht mehr geben. Und doch wird in Münster am kommenden Wochenende der hoch aufragende Sandsteinbau des LWL-Museums für Kunst und Kultur der Öffentlichkeit übergeben.
Der Zeitpunkt ist Folge einer fünfjährigen Bauzeit. Die wiederum nur zum Teil auf der westfälischen Abneigung gegen Hast und Eile beruht. Die Gründe liegen auch im 1974 errichteten Vorgänger-Bau des neuen Hauses, der damals die Platznöte im 1908 eröffneten Altbau lindert sollte – wie so oft in den 70er-Jahren baute man nicht nur in architektonisch minderer Qualität, sondern auch mit Asbest.
Nun aber ragt zwischen Domplatz und Aegidiimarkt statt eines dunklen, abweisenden Trumms ein eleganter, lichtstarker Bau des Architekten Volker Staab auf. Zum Paulus-Dom hin sorgt eine Spitze wie von einem Schiffsbug für Schwung in der Fassade, auch hier schafft ein Durchgang für Passanten jene Offenheit, die den 4700-Quadratmeter-Bau zutiefst prägt: Die Grenzen zwischen Stadt und Museum verschwimmen, erst recht in den Lichthöfen des Museums, die den Kern des wilhelminischen Altbaus zum Leitmotiv des neuen, großen, insgesamt 7500 Quadratmeter großen Museums machen.
Und was sehen wir? Zunächst einmal nur 1200 von den 350 000 Ausstellungsstücken jener Sammlung, die als das kulturelle „Gedächtnis Westfalens“ gilt. Eine kluge Highlight-Auswahl vom beinahe 1000 Jahre alten, übermannshohen Bockhorster Triumphkreuz bis zu Rachel Whitereads Bücherwand aus Gips von 1997. Es gibt einen ganzen August-Macke-Raum, in dem man die Skizzenbücher des Malers am Bildschirm durchblättern kann, das farbliche Glühen seines „Sonnigen Wegs“ (1913) in Öl bestaunen oder rätseln, was auf der gemeinsam gemalten Wand von August Macke und was von Franz Marc stammt.
Man kann baden in der Expressionisten-Pracht von Kirchner über Heckel bis Schmidt-Rottluff, man kann auch dem chronologischen Rundgang folgen, beginnend bei dem mit Tempera-Farben gemalten Soester Antependium als ältestem Tafelbild nördlich der Alpen und dem Dortmunder Maler Conrad von Soest. Die Kunstgeschichte Westfalens ist aber auch am Niederrhein verwurzelt, nicht nur wegen der anonymen Altar-Maler, sondern auch wegen der spätmittelalterlichen Brüder Derick und Jan Baegert, die Münster ebenso mit Bildern versorgten wie die Familie tom Ring, nachdem der Bildersturm der Wiedertäufer Kunstschätze in ungeahntem Ausmaß vernichtet hatte.
Wie eine barocke Wunderkammer gewirkt haben mag, wird angedeutet mit einem ausgestopften Kugelfisch, aufgespießten Schmetterlingen und einem Bergkristall zu opulenten Stillleben. Und die Geschichte vom 30-jährigen Krieg bis zum „Ruhrgebiet II“ von Conrad Felixmüller passiert in Gemälden, Dokumenten, Möbeln und einem interaktiven Spiel für zehn Personen Revue. Es folgt die ansehnliche Sammlung von Kunst des 20. Jahrhunderts, Glanzstücke von Max Ernst, Josef Albers oder der Zero-Gruppe, die mit einem Lichtraum vertreten ist.
Ein architektonischer Segen sind die vielen Durch- und Ausblicke, mit denen die zeitliche Ordnung durchbrochen und die Stadt ins Museum geholt wird. Vielleicht gelingt es ja so, „ein internationales Publikum anzulocken“, was Barbara Rüschhoff-Thale, die Kulturdezernentin des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), als kühne Zielmarke nannte.